Frauenpower im Bestattungshaus Jürgensen

Im Bestattungsgewerbe finden auch immer mehr Frauen ihren Platz - ein Beispiel: Schleswigs am längsten bestehendes Unternehmen aus dieser Branche.

Das Jürgensen Team (von links): Ricardo Dieball, Lone Henningsen, Philipp Kanne, Sabine Kröger, Michael Jürgensen, Nicole Kind, Nick Jürgensen, Michelle Jürgensen und Celine Köhn. Foto: Prenzel

Michael Jürgensen ist Inhaber des am längsten bestehenden Bestattungshauses in Schleswig. Seit 38 Jahren arbeitet der gelernte Tischler nun schon als Bestatter. Den Betrieb hat er von seinem Vater Rolf übernommen. Gegründet wurde das Familienunternehmen 1873 von Michael Jürgensens Urgroßvater Christian. Am 23. August 1906 wurde das Bestattungshaus ins Leben gerufen. „Die Mitarbeiter waren alles gestandene Männer", sagt er lächelnd. Doch die Vorherrschaft der Männer ändert sich gerade. ,,Jetzt ist auch Frauenpower angesagt“, erklärt Michelle Jürgensen, die schon seit Jahren die Fäden im Hintergrund zieht.

Mit Celine Köhn und Lone Henningsen begannen am 1. September 2022 zwei engagierte junge Damen ihre Ausbildung zur Bestattungsfachkraft. Insgesamt haben tatsächlich mittlerweile die Frauen die Überzahl im Bestattungshaus Jürgensen. Überhaupt ist das Bestattungshaus Jürgensen von einem Mangel an Bewerbungen nicht betroffen, was vor allem daran liegen dürfte, dass das Unternehmen innovativ und modern ist und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vielfältige Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung bietet.

Um ganz sicher zu gehen, ob es von den Voraussetzungen und Vorstellungen her von beiden Seiten passt, kommen die „Auserwählten" zum Probearbeiten, natürlich mit Bezahlung. Das war für Michelle Jürgensen Bedingung: „Man kann in diesem Gewerbe nicht unbedarft jemanden einstellen, da muss man schon genau hingucken, ob alles passt. Wir haben schließlich eine Menge Verantwortung zu tragen."

So war es auch bei Celine und Lone. Nach der Testphase stand für beide fest: ,,Ich will!" Auch das Bestattungshaus Jürgensen war einverstanden und von den beiden überzeugt. Der Beruf hat hohe Anforderungen. Neben Empathie, Sensibilität, Nervenstärke und Kommunikationsbereitschaft braucht es viel Energie und Konzentration. „Wir kümmern uns sehr intensiv und menschlich um die Angehörigen, wir sind auch Tag und Nacht für Sie erreichbar", berichten die beiden ,,Neuen", die sich schnell integriert haben und die ersten Tage der Ausbildung spannend und aufregend fanden. Wir haben keine Berührungsängste, trauen uns bisher alles zu.”

„Kraft ist auch ein wesentlicher Bestandteil dieses Berufes, das ist nicht zu unterschätzen."
Michael Jürgensen, Bestatter

Wichtig ist die gute Zusammenarbeit im Team, eine sinnvolle Arbeitsteilungen einfach unerlässlich. Denn: ,,Kraft ist auch ein wesentlicher Bestandteil dieses Berufes, das ist nicht zu unterschätzen“ sagt Michael Jürgensen. Er hat die jungen Frauen zu Beginn zu „einfacheren" Todesfällen mitgenommen, nicht zu Verkehrsunfällen oder Verbrechensopfern. Dies gehört ja leider auch zum Bestatteralltag dazu und muss auch bewältigt werden. Überhaupt wird im Bestattungshaus Jürgensen sehr darauf geachtet, die Auszubildenden langsam und behutsam an diese schwereren Aufgaben heranzuführen.

Ein weiteres, sehr intensives Lernfeld ist auch der Aufbau und die Ausstattung der Trauerfeierlichkeiten der gesamte Bereich der Organisation. Das Bestattungshaus Jürgensen bietet dafür eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Unter anderem ein perlmuttweißes Bestattungsfahrzeug, nach dem die Nachfrage bei den Angehörigen besonders groß ist. Zudem ist es möglich, eine besondere Trauerfeier samt Kaffeetafel auszurichten.

Die Zeiten haben sich gewandelt. Die Trauerfeier in Schwarz mit leichenbitteren Mienen gehört in vielen Fällen der Vergangenheit an. ,,Wer möchte, bekommt beispielsweise auch einen pinkfarbenen Sarg", sagt Nick Jürgensen, „Wir machen so ziemlich alles möglich.“ Das heißt allerdings nicht, dass damit der Anspruch einer würdevollen Trauerfeier verloren geht. Die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten werden im Bestattungshaus Jürgensen in aller Ruhe und mit viel Zeit besprochen. Dabei stets im Mittelpunkt: die Individualität und Würde eines jeden Verstorbenen. Arndt Prenzel

Bestattungshaus Jürgensen
Stadtfeld 2a, 24837 Schleswig


Bestattungswesen weiter im Wandel 

Anteil kirchlicher Bestattungen gesunken

KÖNIGSWINTER. Immer weniger Bestattungen in Deutschland werden katholisch oder evangelisch begleitet. Nach den neuesten Angaben ist der Anteil weiter rückläufig und betrug im Jahr 2020 49,7 Prozent. Er lag damit erstmals unter der Hälfte (2019: 52,1 Prozent). Dies entspricht 489.664 Bestattungen bei insgesamt 985.572 Todesfällen, davon 253.118 evangelisch und 236.546 katholisch Bestattete. Im Jahr 2000 waren es noch 71,5 Prozent.

Die vorliegenden Zahlen ergeben sich aus Statistiken der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland, die von Aeternitas, der Verbraucherinitiative Bestattungskultur, ausgewertet wurden.

Am rückläufigen Anteil kirchlicher Bestattungen verdeutlicht sich der Wandel, dem das Bestattungswesen in den letzten Jahrzehnten unterliegt. Traditionen und religiöse Bräuche verlieren an Bedeutung. Dies zeigt sich auch am Trend zur Feuerbestattung. Über 70 Prozent der Verstorbenen werden eingeäschert, vor 30 Jahren betrug der Anteil weniger als ein Drittel. pm