Sehnsucht und die stillen Tage des Erinnerns

Das Andenken an Verstorbene ist fester Bestandteil unseres Lebens

Ein individuell gestaltetes Grabmal kann auch ein kleines Stück zur Trauerbewältigung beitragen. Foto: BIV Steinmetze/R. Watzke

RENDSBURG. Manchmal ist die Sehnsucht so laut, dass man nichts Anderes hören kann. Viele Trauernde brauchen gerade dann einen Platz, an dem sie sich mit dem Verlust eines geliebten Menschen auseinandersetzen können. Der Friedhof mit seinen Gräbern, seiner Natur und der Ruhe spielt auch in modernen Zeiten dabei eine wichtige Rolle, denn er stellt insbesondere für Hinterbliebene einen Ort des Rückzugs dar, um neue Kraft und neuen Mut zu schöpfen.

Die Hektik des Alltags lässt oft wenig Zeit für Ruhe und Besinnung. Das Innehalten am Grab gibt Kraft, mit sich ins Reine zu kommen und innere Konflikte zu lösen, die der schmerzliche Verlust von geliebten Menschen mit sich bringt. Je nach Bundesland schreiben die Feiertagsgesetze sogenannte „stille Tage" vor. In der christlichen Tradition gehören dazu die drei Gedenktage im November, Allerheiligen, Allerseelen und Totensonntag. Die Gedenktage haben zwar einen unterschiedlichen Hintergrund, verfolgen aber das gleiche Ziel: Sie sind Tage des Innehaltens und der Trauer um Familienangehörige, Freunde und Bekannte.

An den bevorstehenden Trauergedenktagen wird es viele Menschen wieder auf den Friedhof ziehen. Einerseits machen sie sich auf den Weg, um sich ihrer Verstorbenen zu erinnern. Für andere ist es immer wieder interessant, die Stimmung eines Friedhofs einzufangen, die an einem Herbsttag Ende November so ganz besonders sein kann. Und für andere sind es die Grabmale, die Geschichten von Menschen erzählen, Phantasien freisetzen oder einfach nur künstlerisch sehr anspruchsvoll gestaltet sind.

„Ein individuell gestaltetes Grabdenkmal hilft den Hinterbliebenen, ihre Sehnsucht und den Schmerz zu bewältigen und das kostbare Andenken zu pflegen. Das geschieht besonders dann, wenn die Hinterbliebenen und der/die Steinmetz:in gemeinsam die Idee für ein solches Grabmal entwickeln", erklärt Markus Steininger, Bundesinnungsmeister im Bundesverband Deutscher Steinmetze. Gestalterisch gibt es viele Möglichkeiten, das Leben des Verstorbenen noch einmal darzustellen, um einen individuellen und persönlichen Erinnerungsort zu schaffen: Eine Angel für den passionierten Fischer, ein Zitat vom Lieblingsautor in der persönlichen Handschrift oder Pinsel und Farben für den Malermeister: Steinmetzen steht eine große Vielfalt an Ornamenten und Oberflächenbearbeitungen zur Verfügung, er bzw. sie ist ein/e Meister:in der gestalteten Schrift.

Ob wir an den bevorstehenden Trauergedenktagen gezielt Grabstätten von Verwandten oder Freunden aufsuchen oder einfach nur so die geschmückten Wege entlangschlendern – die Stimmung eines Friedhofes ist einzigartig und weniger bedrückend, als es den Anschein macht.

Die Erinnerung, sagte der Schriftsteller Jean Paul, ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Auf dem Friedhof hat dieses Paradies jeden Tag des Jahres geöffnet. pm