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Schleswig: Abschied vom Gas

Nur unter mitwirken der Bürger*innen kann die Wärmewende gelingen.

Im Schleswiger Neubaugebiet „An den Wichelkoppeln“ wird auf Wärmegewinnung durch sogenannte Erdeisspeicher gesetzt. FOTO: BENJAMIN NOLTE
Im Schleswiger Neubaugebiet „An den Wichelkoppeln“ wird auf Wärmegewinnung durch sogenannte Erdeisspeicher gesetzt. FOTO: BENJAMIN NOLTE

Während beispielsweise in Flensburg bereits seit Jahrzehnten fast alle Haushalte mit Fernwärme versorgt werden, wurde und wird in Schleswig vielfach auf Gas gesetzt – ein Auslaufmodell. 

Bisher sind im Schleswiger Stadtgebiet erst 15 Prozent aller Haushalte an das Fernwärmenetz angeschlossen. Diese eher ernüchternde Zahl präsentierten die Stadtwerke SH im Oktober bei einer Informationsveranstaltung im Hotel Hohenzollern. Während beispielsweise in Flensburg seit Jahrzehnten fast alle Haushalte mit Fernwärme versorgt werden, wurde und wird in Schleswig vielfach auf Gas gesetzt. „Aktuell haben die mit Erdgas beheizten Gebäude den größten Anteil in Schleswig. Zur weiteren Verteilung der Wärmequellen (Wärmepumpen, Pelletheizungen, Ölheizungen o.ä.), die nicht an das Stadtwerke-Netz angeschlossen sind, können keine Aussagen getroffen werden“, erklärt Schleswigs Stadtsprecherin Manuela Brodersen. Im Zuge der proklamierten Wärmewende müssen nun neue, klimafreundliche Alternativen zum Gas her – und zwar kurz- bis mittelfristig. Konkrete Ausbaupläne für die Stadt Schleswig lassen aktuell jedoch auf sich warten. Die Stadtwerke SH rufen Hausbesitzer auf, sich gemeinsam mit ihren Nachbaren bei dem kommunalen Energieversorger zu melden, um überhaupt einen möglichen Bedarf beim Fernwärmeausbau festzustellen. 

BISHER KAUM ANREIZE ZUM UMSTIEG AUF FERNWÄRME

All die Jahre war Gas günstig, es gab keinen Grund auf die oft teurere Fernwärme umzusteigen. Selbst bei jüngeren Tiefbauvorhaben wie in der Chemnitzstraße wurde auf einen entsprechenden Ausbau verzichtet. Es fehlte schlicht an Nachfrage. Stadt Schleswig sieht Wärmewende als Gemeinschaftsaufgabe. Diese ist nun vorhanden. „Die Wärmewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur unter enger Beteiligung und Mitwirkung der Bürger*innen und weiterer maßgeblicher Akteure erfolgreich gelingen können wird“, sagt Brodersen. Wer nicht auf eine Wärmepumpe setzen will oder kann, wird an dem Thema Fernwärme kaum vorbei kommen. Bei der Informationsveranstaltung im Hotel Hohenzollern bezifferten die Stadtwerke SH die Ausbaukosten für die Stadt Schleswig mit mehreren hundert Millionen Euro. Eine teure Tasse Tee, auch für Hausbesitzer. Hinzu kommt, dass der Ausbau des Fernwärmenetzes mit teils intensiven Tiefbauarbeiten verbunden und nicht von heute auf morgen realisiert werden kann – dabei drängt die Zeit. „Das Thema Wärmewende wird von Stadt und Stadtwerken Hand in Hand angegangen, wobei die Stadt federführend in der Wärme- und Kälteplanung ist. Die kommunale Wärmeplanung ist ein wichtiges Steuerungsinstrument für eine erfolgreiche Wärmewende. Ziele und Vorteile sind eine effiziente Wärmeversorgung, basierend auf erneuerbaren Energien und Abwärme zu stabilen Preisen, eine verbesserte Klimabilanz und die Senkung der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen durch einen hohen Anteil erneuerbarer Energien. Kurzum: Die Wärmeversorgung der Kommune zukunftsfähig aufzustellen und einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, so Brodersen 

MUSTERBEISPIEL „AN DEN WICHELKOPPELN“

Wie es gelingen kann, zeigt sich dort, wo bislang keine Versorgungsinfrastruktur bestand. Ein gutes Beispiel ist das Schleswiger Neubaugebiet „An den Wichelkoppeln“, wo die Stadtwerke SH auf die sogenannte Kalte Nahwärme setzen. Hier wird aus Eis Wärme gewonnen. Was zunächst weit hergeholt klingt, funktioniert mit einem Erdeisspeicher: Dieser dient als Wärme- und Kältequelle für die Wärmepumpen in den Wohngebäuden, die zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie versorgt werden. 

SO FUNKTIONIERT DER ERDEISSPEICHER

Beim Erdeisspeicher nutzt man neben der Wärme aus der Erde auch die Energie, die frei wird, wenn Wasser gefriert. Dies geschieht im Erdreich in einem Erdeisspeicher im Laufe eines Winters, weil sich durch die für die Häuser entzogene Energie die Erde um die Rohre immer weiter abkühlt, bis das gebundene Wasser gefriert. Die im Winter generierte Kälte wird wiederum gespeichert, damit die Wohnungen im Sommer angenehm kühl sind. Am Rande des Baugebietes Wichelkoppeln haben die Stadtwerke SH und ihre Partner zwei unterirdische Erdeisspeicher errichtet und zwei Flächen mit Erdwärmekollektoren ausgestattet, um damit die Energie zu erzeugen, die zum Heizen und zur Warmwasseraufbereitung für alle Gebäude auf dem Gelände benötigt wird. 

WÄRMEPLAN WIRD BALD ERARBEITET

Wie es im restlichen Stadtgebiet weitergeht, hängt maßgeblich von den Ergebnissen des sogenannten kommunalen Wärme-Kälte-Plans (kurz: Wärmeplan) ab. „Er besteht aus Karten und Texten, um die räumliche Verknüpfung von Wärmeerzeugung und -verbrauch abzubilden und stellt, vergleichbar mit einem Flächennutzungsplan, auf Basis der aktuellen Wärmeversorgungsstruktur und des Wärmebedarfs die langfristige Entwicklung des Wärmesektors in der Kommune dar“, erklärt Brodersen. Aktuell wird das Leistungsverzeichnis für die Erstellung eines kommunalen Wärmeplanes für die Stadt Schleswig erarbeitet. Ziel sei es, noch in diesem Jahr Angebote „geeigneter Fachplanungsbüros einzuholen, die mit der Leistung beauftragt werden können“, so Brodersen. Liegt der Wärmeplan vor, soll „erarbeitet werden, welcher Anteil der Kommune perspektivisch mit Wärmenetzten versorgt werden soll“. Julian Heldt