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Kappeln: Es wird weniger Geschäfte geben

Im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Wirtschaftskreises Stefan Lenz.

Stefan Lenz ist Vorsitzender des Wirtschaftskreises Pro Kappeln. FOTO: REBECCA NORDMANN

Die Stadt Kappeln ist Teil des Städtebauförderprogramms „Kleinere Damit Städte und Gemeinden“. soll sich die Innenstadt bis in die 2030er-Jahre hinein deutlich verändern. Das denkt der Vorsitzende des Wirtschaftskreises, Stefan Lenz. darüber.

Die Städtebauförderung ist Kappelns vielleicht vielversprechendstes Konzept seit Langem. Bisher hat sie allerdings noch wenig sichtbare Spuren in der Stadt hinterlassen. Dabei kann sie auch für die lokale Wirtschaft von großem Wert sein. Darüber haben wir mit dem Vorsitzenden des Wirtschaftskreises Pro Kappeln, Stefan Lenz, gesprochen. 

Herr Lenz, die Stadt Kappeln ist Teil des Städtebauförderprogramms „Kleinere Städte und Gemeinden“. Dabei wurden ihr bei den vorbereitenden Untersuchungen „substanzielle und funktionale Schwächen“ attestiert. Was sind unter diesen Gesichtspunkten Ihre Top 3 der „Bausünden“ in Kappeln?

Der Deekelsenplatz. Für den Wirtschaftskreis ist er einer der städtebaulichen Entwicklungsschwerpunkte schlechthin, weil er mitten in der Stadt liegt. Er muss sich zum Begegnungsraum entwickeln, damit Einkaufen in der Innenstadt zum Event wird. 

Ein paar Bänke, ein paar Blumenbeete, vor allem aber Beton - das ist der Deekelsenplatz mitten in der Stadt. FOTO: REBECCA NORDMANN
Ein paar Bänke, ein paar Blumenbeete, vor allem aber Beton - das ist der Deekelsenplatz mitten in der Stadt. FOTO: REBECCA NORDMANN

Eigentlich gilt das für die gesamte Fußgängerzone, aber der Deekelsenplatz ist am schrecklichsten. Die Zugänge von den Parkplätzen in die Innenstadt. Das ist kein Empfangsbereich, stattdessen läuft man erstmal durchs Nirwana. Es muss sich gestalterisch etwas tun, damit der Weg in die Innenstadt Spaß macht. Schließlich manche Gebäude in der Innenstadt, die schöner gestaltet werden könnten, damit sie zum Gesamtbild der Stadt beitragen. 

Dazu muss man sich bemühen, die Eigentümer mit ins Boot zu holen. Wir haben eine gute Grundstruktur, aber auch einiges, was nicht schön hergerichtet ist. Über die Städtebauförderung gibt es Möglichkeiten, an bestimmte Töpfe heranzukommen, um in diesem Bereich etwas zu tun – etwas, das sowohl im Interesse der Hauseigentümer als auch der Stadt liegen müsste. 

Wie sieht denn die Fußgängerzone in Kappeln im Jahr 2035 aus?

Auf jeden Fall wird es weniger Geschäfte geben. Leider. Weil das Einkaufen immer weniger über klassische Läden laufen wird. Deshalb ist es wichtig, mehr lebenswerte Punkte, mehr Erlebnisräume zu schaffen. Und zwar für unsere Gäste und für uns selbst. Das Flanieren und gemütliche Einkaufen ist ohnehin eher Teil des Saisongeschäfts. Ziel muss es sein, das zu verlängern und zu überlegen, was man städtebaulich tun kann, damit das Ziel erreicht wird. 

Wie ließe sich das städtebaulich beeinflussen?

Die Grundvoraussetzungen der Innenstadt sind gut. Der Bereich ist überschaubar, die Parkmöglichkeiten sind nah. In jeder anderen Innenstadt sind die Wege weiter. Aber es gibt auch Herausforderungen: Man geht auf die Kirche zu, hat aber den Vorbau vom „Aurora“ vor der Nase. Ja, die Gäste wollen draußen sitzen, und es ist ohnehin für die Gastronomie in der Innenstadt schwieriger, Publikum zu locken, weil alle am liebsten am Hafen sitzen wollen. Andererseits ist es eben für das Bild der Kirche schade. Dazwischen bewegen wir uns hier in Kappeln. Und das ist auch die Abwägung, die die Städtebauförderung vollziehen muss. Ich hoffe aber auch, dass 2035 ein modernes Verkehrskonzept mit einer Verkehrsleitung entstanden ist, damit der Individualverkehr zu großen Teilen außen vor bleibt. Dann wird das Innenstadterlebnis auch wesentlich schöner. 

Durch Kappelns wachsende Gunst bei Touristen wird die Entwicklung der Stadt einerseits forciert, andererseits wird sie gebremst, weil Einheimische mitunter hinter den Bedürfnissen der Urlauber zurückstehen. Vor diesem Hintergrund: Wie gut passen Städtebauförderung und Tourismus zusammen?

Für mich ist das gar kein Widerspruch. Die Frage nach ausreichenden oder vielleicht schon zu großen Kapazitäten für Feriengäste müsste man eigentlich anders stellen – nämlich: Wenn wir uns in der Entwicklung einschränken und keine Ferienwohnungen mehr haben wollen – haben wir dann automatisch mehr bezahlbaren Wohnraum? Nein. Und eigentlich muss es sowieso eine ganz andere Frage sein: Wie schaffen wir Wohnraum, damit Menschen, die hier mit normalem Einkommen arbeiten, hier auch leben können? Geht es wirklich nur um Wohngebiete mit Einfamilienhäusern oder nicht doch eher um Mehrfamilienhäuser? Überhaupt: Welche Alternativen haben wir zum Tourismus? Ja, ich hätte mich auch gefreut, wenn in Olpenitz eine tolle moderne Engineering-Firma entstanden wäre, die Hunderte Arbeitsplätze geschaffen hätte. Aber jetzt steht eben etwas anderes da. Und unsere Innenstadt würde ohne den Tourismus heute auch nicht so aussehen, wie sie aussieht. 

Ziel des Programms „Kleinere Städte und Gemeinden“ ist es auch, Kappeln als wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ankerpunkt für die Region zukunftsfähig zu gestalten. Warum braucht die Region Ostangeln die Stadt Kappeln als Ankerpunkt?

Ich würde das anders sehen: Die Stadt Kappeln braucht die Region Ostangeln, wenn sie sich entwickeln will. Es gibt verschiedene Orte, die glauben, dass sie für Angeln die prägenden Orte sind – zum Beispiel Süderbrarup, Sörup, Satrup. Und man darf nicht vergessen: Kappeln liegt an der Peripherie, während Satrup im Herzen Angelns liegt. Aber: Wenn Kappeln eine gute Infrastruktur bieten kann, kann es stärker mit dem städtischen Charakter punkten. Deshalb sollte man Gäste aus Schörderup nicht nur im Winter willkommen heißen, sondern mit einer passenden Infrastruktur dafür sorgen, dass sie auch im Sommer kommen können. 

Wir haben jetzt viel über Kappelns Schwächen und Entwicklungserfordernisse gesprochen. Wo liegen schon jetzt Kappelns Stärken?

Die Stärken sind natürlich unsere wunderbare Landschaft, das Wasser. Es gibt kaum etwas Schöneres, als direkt am Wasser zu sein. Genau dort flanieren die Menschen. Und man kann die Optionen weiterdenken und zum Beispiel den Museumshafen besser einbinden. Auch in der Innenstadt steckt so viel Potenzial, so viel Gemütlichkeit. Dazu kommt der tolle Strand, den man allerdings noch besser nutzen und stärken kann. Bei vielem von dem, was jetzt schon da ist, müssen wir eigentlich nur dafür sorgen, dass es schöner wird oder schön bleibt. Ich hatte einmal eine ganz bezeichnende Begegnung mit einem Urlauber auf der Mühle. Wir standen beide ganz oben, und ich sagte zu ihm: „Schade, dass wir gerade nicht das schönste Wetter haben.“ Daraufhin sagte er: „Gucken Sie sich doch mal dieses tolle Wolkenbild an.“ 

Wolkenschlösser gehören nicht zu den Zielen der Städtebauförderung. Zum Schluss aber richtet Stefan Lenz einen Appell an die Entscheider in der Stadt: „Wir reden so viel über diese Dinge, kommen aber einfach nicht weiter. Was wichtig ist, dass es endlich losgeht. Es wird Zeit.“ Rebecca Nordmann