Vom Kiez in die freie Natur

Dieter Hoffmann: Vögel zählen statt Luden verhaften

Das Haus ist sein Schatz: Dieter Hoffmann vor seiner Kate. Foto: Arndt Prenzel

Dieter Hoffmann hat eine erstaunliche Karriere hinter sich: Er arbeitete auf dem Hamburger Kiez in der Davidwache, erlebte dort die heißen Zeiten mit Kämpfen der Nutella-Bande gegen die GMBH live mit, überlebte Schusswechsel und musste doch selbst nie zur Waffe greifen. Beim Gladbecker Geiseldrama hätte er als Rettungsschütze zum Einsatz kommen können: Das Schicksal wollte es anders.

Aufgewachsen in einer kleinen Friesenkate

,,Letztendlich bin ich froh, aus allem heil rausgekommen zu sein", sagt er. Es ist alles ganz schön viel für einen ,,Fahretofter Jung". Er wuchs nämlich in der Schulstraße auf, in einer kleinen Friesenkate. „Zur Schule musste ich nur über die Straße gehen“, erinnert er sich. Die legendäre Greta war auch seine Lehrerin. Von dort ging es auf das Gymnasium, an die FPS. ,,Um und bei hatte ich zwei Stunden Fahrzeit am Tag", sagt er. Eine echt lange Zeit, die er lieber in der Natur verbracht hätte. Denn die Natur liegt ihm ebenfalls am Herzen. Dazu später mehr.

1978 ging der Nordfriese nach Hamburg, machte die Ausbildung bei der Schutzpolizei. In den Jahren danach arbeitete er in der berühmten Davidwache. „Ich sah dort viele Prominente, die ihren ging. geheimen Leidenschaften nachgingen." Ob Peter Frankenfeld oder Uwe Seeler, irgendein Laster hat wohl jeder. Dieter Hoffmann muss skurrile Aufgaben erfüllen. So, wenn es um das Delikt ,,Beischlafdiebstahl" Wem sollte er glauben, dem Opfer, das sich um seine Dienstleistung betrogen sah, oder aber der Prostituierten, die als Beweis ein Kondom hochhielt? Schießereien hat er miterlebt, sein Kollege wurde direkt vor ihm angeschossen, er selbst blieb unverletzt. „Da flogen die Kugeln über die Reeperbahn". Die Machtkämpfe der Zuhälter, die sich in großen Gruppen duellierten, ging in die heiße Phase um die Nachfolge vom Paten Wilfried Schulz.

Die Sehnsucht wurde immer stärker

Später ging es für Dieter Hoffmann im Landeskriminalamt ein wenig ruhiger zu. Er arbeitete als verdeckter Ermittler. Schon in diesen anstrengenden Berufsjahren träumte er von Nordfriesland. Denn eine Rückkehr aus Hamburg war für ihn immer eine Option. Er hielt die Verbindungen zur Heimat bei, hatte immer Kontakt ins Dorf. Über den Erwerb seines früheren Zuhauses, der ,,Friesenkate", wurde die Sehnsucht immer stärker.

Wenn man ihn fragt, was ihn vor sechs Jahrwen zurückgeholt hat, so meint Dieter Hoffmann unverblümt: „Ja, es war diese Kate. Diese intensive Verbundenheit zu dem Haus, in dem ich laufen gelernt habe."

Dieter Hoffmann hat im hohen Norden aber auch einen neuen Job gefunden. Er hat den Vorsitz des Nabu Niebüll/Leck Anfang des Jahres 2020 übernommen und widmet sich mit Elan der neuen Aufgabe. ,,Ich möchte gerne vor allem junge Menschen für den Verein gewinnen, damit das Wissen von der Natur an die nächsten Generationen weitergegeben wird", sagt er.

Nun hat er die Nabu-Zentrale überzeugen können, dass eine Mitgliederwerbung im Raum Südtondern, schwerpunktmäßig in Leck und Niebüll, sinnvoll ist. „Wir wollen die Anzahl der Mitglieder von 255 auf 400 steigern. Eine junge Studentencrew, aus ganz Deutschland rekrutiert, war nun in Niebüll unterwegs.“

„Für Klima-und Artenschutzprojekte werden zahlreiche interessierte Menschen gesucht.”
Dieter Hoffmann, Vorsitzender Nabu Niebüll/Leck

„Läuft gut“, sagt Abdulla Chemingui, der freundlich und gewinnend auftritt. Die eingespielte Combo war gerade in Flensburg zwei Wochen unterwegs und hat dort 700 neue Mitglieder gewonnen. „Eine starke Leistung", meint Dieter Hoffmann. In Niebüll lief es noch besser: „,230 Neuzugänge wurden verzeichnet. Ein Riesenerfolg!"

Die Aktivitäten des Nabu kommen immer besser an. „Die Gruppe Niebüll-Leck bietet unter anderem ein sehr umfangreiches auch mehrtägiges Exkursionsprogramm mit geselligem Beisammensein." Diese Touren sind besonders beliebt, werden auch von Touristen wahrgenommen!" Im Sommer war man mit 50 Leuten auf Oland, zur Vogelbeobachtung. Dieter Hoffmann ist ,,Bird Watcher". „Ich wohne am Rande der Jacobswarft in Fahretoft, umgeben von grünen Wiesen und Blumen, und kann zahlreiche Singvögel beobachten“, so Hoffmann. Etwa 30 unterschiedliche Arten hat der Vereinsvorsitzende im heimischen Garten entdeckt. ,,Aber es sind in letzter Zeit deutlich weniger Vögel, weniger Feldsperlinge, Amseln, Kohlmeisen oder Blaumeisen."

Es gibt aber mehr zu tun. Dieter Hoffmann hat die „Aufgabenwahrnehmung“ im Bereich Jugendarbeit, Digitalisierung, Monitoring, Exkursionsleitung im Fokus. 

„Für Klima-und Artenschutzprojekte werden zahlreiche interessierte Menschen gesucht." Mit der äußerst kostengünstigen Mitgliedschaft (möglich sind 4 Euro/Monat, es darf auch mehr sein) würden zwei Klappen geschlagen, zum einen werde die Naturschutzarbeit vor Ort gestärkt, auf der anderen Seite trage eine Mitgliedschaft im Naturschutzbund zur Stärkung der Interessenvertreter auf Bundesebene bei.

Dieter Hoffmann weiß, dass es ohne Lobbyarbeit nicht geht. „Die aktuelle schlimme Situation unserer Umwelt im Bereich Biodiversität, Klimawandel und erheblichem Artenschwund in allen Bereichen machen eine Sensibilisierung der Politik für diese Thematik dringender denn je." Aber den Ansatz, vor Ort einzugreifen, sieht er auch. „Wir haben hier genug Probleme mit Glyphosat, Maisanbau und fehlenden Brachflächen."

Er möchte Privatleute dafür gewinnen, Flächen für Wildblüten bereit zustellen. Dafür geht er auch nachts ans Telefon. ,,Da rufen mich Tierfreunde an, die nicht wissen, was sie mit einem Igel machen sollen." Dieter Hoffmann macht das gern, freut sich nun aber über neue Mitmacher. Arndt Prenzel


Infos zum Kiez

Zwei Jahrzehnte Schulz fried war Wiluneingeschränkter Herrscher auf dem Hamburger Kiez. Als er stirbt, folgt die „GMBH“, eine Ludentruppe. Benannt ist die ,,GMBH" nach den Vornamen ihrer Mitglieder: Gerd Glissmann, Michael Luchting, Walter „Beatle" Vogeler und Harry Voerthmann. Die Vierer-Gruppe ist in den 70er Jahren das erste große Zuhälterkartell auf St. Pauli. Ihr Vereinslokal ist das Lokal „Zum Silbersack" in der Nähe der Reeperbahn - von hier aus leiten sie ihre Geschäfte. Die ,,GMBH" kontrolliert 160 Prostituirte im Eros-Center oder im Palais D'Amour. Im Monat kassiert die ,,GMBH" bis zu 200.000 Mark. Doch diese Luden sind brutal, mehr und mehr Frauen arbeiten deshalb lieber für die etwas ,,humanere" Zuhältergruppe die „Nutellas". Sie machen den „Opas“ bald große Konkurrenz. Sie waren jung: Die älteren Rivalen nannten sie Milchbubis: ,,Sie sollten ordentlich Nutella-Brote essen, um erst einmal groß und stark zu werden!" so geht die Mär. Die „Nutellas" um ihren Anführer Klaus Barkowsky haben viel Erfolg, ein anderes Image, fahren dicke amerikanische Autos, um sich abzuheben. Der ,,Schöne über die Klaus", wie Barkowsky in der Szene heißt, kreuzt in einem schwarzen Lamborghini mit Regenbogen-Motiv Reeperbahn. Mit dem Mord am ,,Chinesen-Fritz" 1981 in der ,,Ritze" geht die Gewalt erst richtig ab. Diese Ermordung ist der Anfang einer Serie von Gewalt, die den Kiez erschüttert. Der frühere Ehrenkodex, keine Waffen anzuwenden, ist plötzlich hinfällig. Es ging immer ums Geld. Und natürlich um Macht. Man teilte ungern, und deswegen kam es zum Krach. Weitere Gangs wie die Chikagos oder aber die Hells Angels griffen zusätzlich ein. Höhepunkt waren die Morde durch Werner Pinzner, der später im Polizeihochhaus für ein extremes Ende sorgte. pre