Branchenentwicklung im Norden: Im Sinne der Nachhaltigkeit

Als Gutachter und Bauunternehmer kennt sich der Präsident von Handwerk Schleswig-Holstein e.V. Thorsten Freiberg mit der Stimmungslage und Branchenentwicklung aus.

FOTO: SILKE KURTZ

Die eine Krise ist vorerst überstanden, da kommt die nächste auf uns zu. Nach Corona gibt es im Baugewerbe neue Herausforderungen. Wie sind Betriebe in SH aktuell aufgestellt?

Unsere Betriebe trotzen statistisch gesehen derzeit noch dem Bundestrend. Dort fallen vor allem große Bauvorhaben auf, die storniert oder teilweise sogar ganz aufgegeben werden. Dies liegt am Bauaufkommen in SH insgesamt, weil hier die durchschnittliche Größenordnung von Aufträgen die negativen Effekte des letzten Jahres zum Teil noch puffern kann.

Durch die Rückgabe von Baugrundstücken sind deutschlandweit Bauunternehmen in Schieflage gekommen. Gilt das auch für SH oder herrscht hier noch ein anderes Stimmungsbild?

Das Stimmungsbild ist im Notensystem noch mit einem guten Befriedigend zu bezeichnen. Geprägt aber von den Unsicherheiten, die die Preisentwicklungen und die vielen Trendkiller durch die Bundesregierung verursacht haben und noch tun. Stichwort KFW Förderkulissen und Ge- und Verbote im Bau zur CO2 Neutralität.

Unternehmensnachfolge ist ein großes Thema in der Branche. Wie sieht es im Baugewerbe mit Nachfolgern aus?

Die Unsicherheiten, die die Bauunternehmer verspüren, sind für eine Nachfolgeplanung natürlich nicht förderlich. Sinkende Auslastungen bei Aufträgen drücken auch hier die Preise. Erfreulich ist hingegen der in den letzten Jahren gestiegene Anteil an Betriebsnachfolgen aus dem eigenen Umfeld. Und mit Blick auf das mittlerweile gute Image unserer Bauwirtschaft kommen auch viele motivierte Meister aus der Ausbildung, die in den kommenden Jahren in die vorderste Reihe treten werden. Da spielt auch eine wichtige Rolle, daß die primäre Rolle, die die Politik der Bauwirtschaft beim Klimawandel hin zu Klimaneutralität zuweist, die vielen Milliarden an Fördermitteln, die dort verbaut werden müssen, eine sehr gute Perspektive aufzeigen.

Sind Schleswig-Holsteiner ,,baumüde" geworden oder haben sie einfach Lust und Mut neue Wege zu zu gehen. Kleiner bauen beispielsweise und dafür ökologisch sinnvoller?

Mitnichten sind die Schleswig-Holsteiner ,,baumüde" geworden. Als gute Bauherren haben sie jedoch Kosten und Nutzen im Blick und müssen deshalb wieder genauer planen. So wie im Baumarkt vor gut 15 Jahren und vor der teilweise leicht überhitzten Baukonjunktur in dieser Zeit. Und ja: jede Zeit hat ihre speziellen Anforderungen. Heute und verstärkt auch in Zukunft wird sich unsere Bauwirtschaft noch intensiver als bisher um die Klimabilanz eines Bauwerkes insgesamt kümmern. Und ja: es wird meiner Einschätzung nach wie in der Vergangenheit schon öfter vorgekommen, teilweise der Bedarf an Quadratmetern pro Person neu justiert werden. Aber nicht überwiegend verkleinert, sondern vor allem für Familien weg von 2 ZiKB hin zu 3 ZiKB um auch Kinder zu berücksichtigen.

Wir denken mit meinen Unternehmerkollegen auch mit Blick auf das sich ändernde Nutzungsverhalten von Bauobjekten intensiv darüber nach, kostengünstige Bauweisen stärker in der Beratung zu implementieren, die nicht erst in 100 sondern vielleicht in 20 bis 30 Jahren zurückgebaut oder verändert werden können. Hier werden hybride Bauweisen wie teilmassiv und mit Holz zum Beispiel ihre Märkte suchen. // Silke Kurtz