Plädoyer für die Lichterkette

Ich liebe Kerzenlicht. Die sanfte Flamme, der leichte Rußgeruch - der Inbegriff von Gemütlichkeit. Aber echte Kerzen am Weihnachtsbaum? Nicht bei uns. Soweit ich zurückdenken kann, sorgen spätestens ab dem 24. Dezember Lichterketten an den Zweigen für Erleuchtung. Jahrelang habe ich das nicht in Frage gestellt und fand es eher seltsam, dass bei anderen munter das Wachs über die Nadeln troff. Bis ich eines Tages erfuhr: Ich bin schuld!

Ich bin schuld, dass an unseren Tannen keine Dochte entzündet werden, sondern ein Stecker den Strom aus der Dose saugen muss, damit es zum Fest Licht werde. Im zarten Alter von drei Jahren hatte ich nämlich für eine Beinahe-Katastrophe gesorgt: In einem Anfall expressiver Zuneigung, kombiniert mit Geschenke-Glückseligkeit und Schokoladen-Schwelgerei, umarmte ich eines Heiligabends meine Großmutter so stürmisch, dass sie mit ihrer weißen Wattefrisur in die Flammen geriet. Beherztes Eingreifen der anderen Familienmitglieder konnte Schlimmeres verhindern, so dass Oma keinen dauerhaften Schaden erlitt. Vorsichtshalber entschieden meine Eltern danach: Keine echten Kerzen mehr am Baum zugunsten von Nervenkostüm und Omas Haarpracht.

„Keine echten Kerzen mehr am Baum zugunsten von Nervenkostüm und Omas Haarpracht.”
Autorin Birte Sieland ist Redakteurin in der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion für die Region Eckernförde. FOTOS: ARNE GIMM; BIRTE SIELAND
Autorin Birte Sieland ist Redakteurin in der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion für die Region Eckernförde. FOTOS: ARNE GIMM; BIRTE SIELAND

Dabei ist es bis heute geblieben. Doch wer nun glaubt, dass das Leben dadurch einfacher wäre, hat zu viel am Rumfässchen genascht: Nach den ersten künstlichen Kerzen, die den echten noch nachempfunden waren, und den glückseligen 1990er Jahren mit herkömmlichen Kabeln voller kleiner elektrischer Lichter kam das Grauen in Form von LED. Sicher finde ich es super, dass die so sparsam sind, – zurzeit natürlich mehr, denn je – daher habe auch ich früh auf diese Technik gesetzt. Doch wenn ich an das dämmrige Gefunzel der ersten Generation denke, werde ich heute noch schläfrig.

Inzwischen ist es die Vielfalt der Variablen, die mich vor dem Baumarktregal verzweifeln lässt. Die Länge der Lichterkette ist dabei noch das geringste Problem; Dimmbarkeit, Blinkfunktion und Farbwechsel spielen für mich keine Rolle, aber trotzdem bleibt die Qual der Wahl. Den Mehrfach-Lichtstrang habe ich schon hinter mir (keine ausgewogene Lichtfläche am weihnachtlichen Großgrün). Vielleicht wäre ein so genannter Baummantel, der die Zweige in Licht hüllt, besser.

Ich habe mich zuletzt für ein Modell mit verschieden langen Einzelsträngen pro Zweig-Etage entschieden, aber die Farbe ... die ist immer noch Glückssache. 

Der „Kaltweiß“-Falle bin ich geschickt entkommen, nur festzustellen, dass „Gold“ mir auch noch zu hell ist.

Doch ich gebe nicht auf, selbst wenn sich irgendwann die „fehlerhaften" Lichterketten im Keller untrennbar verknoten. Der nächste Versuch wird „Bernstein“. Oder vielleicht doch echte Kerzen am Baum? Trotz allem bei uns einfach undenkbar!