Der echte Weihnachtsmann - wollen wir ihn reinlassen?

Statt Onkel Hans kam der große Unbekannte als Überraschungsgast

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Weihnachten ohne Weihnachtsmann hat es in den Jahren, als die Mädchen klein waren, nicht gegeben. Meistens konnten wir Onkel Hans überreden, die Rolle zu übernehmen. Er machte seine Sache so gut, dass er zu unserem Lieblingsweihnachtsmann wurde. Er ließ sich von den Kindern Gedichte aufsagen, scherzte mit den Erwachsenen, überreichte Geschenke und ging mit dem Hinweis, dass die Menschen auf der ganzen Welt auf seinen Besuch warten würden.

Wenn Onkel Hans keine Zeit hatte - oder es schaffte, sich aus der Affäre zu ziehen - fragten wir unseren Nachbarn Werner. Werner war mit seinem grau-weißen Vollbart auch überzeugend als Weihnachtsmann. Aber er hatte das Talent, die Bescherung zu verkomplizieren. Werner baute in seine Inszenierung den Wunsch nach nach einem Schnaps ein. Wenig später sagte er: „Auf einem Bein kann ich nicht stehen." Er bekam Schnaps Nummer zwei. Nach Schnaps Nummer drei brauchte Werner Assistenz bei der Übergabe der Geschenke. Gern kam er zu später Stunde unverkleidet und gut gelaunt zurück, um sich bestätigen zu lassen, dass sein Auftritt bühnenreif war.

Als es am Heiligabend vor fünf Jahren gegen 22 Uhr - nach Festessen und Bescherung - an der Haustür klingelte, dachten alle an die alten Zeiten. Und an Werner. Die Überraschung hätte nicht größer sein können: Vor uns stand stattdessen der Weihnachtsmann - der echte. Das sagte er jedenfalls. ,,Wollt ihr mich nicht hereinbitten", fragte er. Natürlich wollten wir nicht ungastlich sein. Aber der Mann im roten Anzug war fast zwei Meter groß. Er hatte keinen gemütlichen Weihnachtsmannbauch, sondern war sportlich und sprach mit junger, kräftiger Stimme. Wirklich bedrohlich wirkte er trotzdem nicht. Umgab ihn nicht sogar etwas Vertrautes? 

„Die Fragen ,Was will er?´ und ,Wollen wir ihn reinlassen?' standen im Raum."

Wir blickten vom einen zum anderen. Die Fragen ,,Was will er?" und ,,Wollen wir ihn reinlassen?,, standen im Raum. „Vielleicht hast du dich im Haus geirrt. Bei uns war die Bescherung schon", sagte ich versuchsweise. Der Weihnachtsmann ließ sich nicht verunsichern: „Ich möchte mich bei euch ausruhen." Also luden wir ihn ein hereinzukommen. ,,Möchtest du etwas essen, Weihnachtsmann?" Gerne nahm unser Besucher das Angebot an und setzte sich in unsere Mitte. Während er auf Rotkohl, Klöße und die Reste vom Braten wartete, beantwortete er alle Fragen: Wo kommst du her? Wie lange bist du schon unterwegs? Wie schaffst du es, alle Kinder zu beschenken? Wo wohnst du im Sommer? Er war geduldig - und geschickt. Wortreich sprach er von Lappland, Auszeiten und zeitlichen Phänomenen - ohne etwas zu verraten. So waren wir nach der Fragerunde genauso schlau wie vorher. Der Weihnachtsmann ließ sich das Essen samt Bier und Nachtisch schmecken. Dann sagte er: „Ich muss weiter", stand auf und verabschiedete sich.

Autorin Uta Habekost ist Objektleiterin in der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion für den Kreis Pinneberg. 
Autorin Uta Habekost ist Objektleiterin in der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion für den Kreis Pinneberg. 

Was für ein Auftritt. Wir waren platt. Sympathisch war er, unser Weihnachtsmann - da waren wir uns einig. Und er hatte unser Fest bereichert. Seine Stimme kam uns bekannt vor. Aber woher? Erfolglos rätselten wir bis nach Mitternacht darüber, wer er war und was ihn zu uns geführt hatte.

Die Auflösung kam am ersten Weihnachtstag per WhatsApp. Freundin Ingrid wünschte uns frohe Weihnachten - mit Grüßen und einem Foto. Es zeigte sie mit unserem jetzt bartlosen - Weihnachtsmann, ihrem Sohn Hannes. Beide mit breitem Grinsen im Gesicht. Hannes war lange im Ausland gewesen, wir hatten ihn zuletzt als Jugendlichen gesehen. Der Tipp, uns nach seiner Weihnachtsmann-Tour durch den Kreis Pinneberg zu besuchen und damit ein wenig Stimmung in unsere Runde zu bringen, stammte von seiner Mutter. Die beiden freuten sich diebisch, dass ihr Plan aufgegangen war. Und wir freuten uns mit. Hannes ist für immer und alle Zeiten unser echter Weihnachtsmann.