Unverpackt

Ist es ein Geschenk oder kann es weg? Nicht immer ist es sofort ersichtlich. FOTO: BILLIONPHOTOS.COM
Ist es ein Geschenk oder kann es weg? Nicht immer ist es sofort ersichtlich. FOTO: BILLIONPHOTOS.COM

"Früher war mehr Lametta", beklagte schon Loriots unvergessener Opa Hoppenstedt. Aber heute ist heute, und mindestens einem Menschen auf der Welt kommt der zunehmende Verzicht auf weihnachtlichen Glanz und Gloria entgegen – dem Verfasser dieser Zeilen.

Doch auf den entscheidenden Durchbruch muss ich noch warten: unverpackte Weihnachtsgaben. Wie alle männlichen Mitglieder der Familie bin ich zwar mit einer großen Klappe, aber auch mit zwei linken Händen ausgestattet. 

Solange wir den überkommenen Verpackungs-Brauch also noch nicht hinter uns gelassen haben, möchte ich selbstverständlich, dass die Präsente für meine Liebsten genauso prächtig verpackt unter dem Tannenbaum liegen wie die der Liebsten anderer Leute. Schließlich bin ich ein großer Verfechter von Traditionen, da können Sie jeden fragen. Und ich möchte keinen Ärger mit meiner Frau...

Wie glücklich war ich als Kind, als selbst das unkünstlerischste Gekrickel, knittrig zusammengerollt und mit bunter Schleife unbehend gebunden, bei Eltern und vor allem Großeltern spitze Schreie des Entzückens auslöste. Als Pubertierender war's mir dann wurscht. Denen gefallen keine uneingewickelten Mini-Schnapsflaschen? Umso besser! In der fröhlichen Studentenzeit kriegten wir manchmal erst Anfang Januar mit, dass schon wieder Weihnachten gewesen war. Doch langsam rutschte auch ich in eine bürgerliche Existenz ab. Und zu der gehört neben Hypothek und Rückenschmerz eben, dass man Weihnachtsgeschenke selber einpackt und diesen höchst intimen Vorgang nicht im Geschäft erledigen lässt. Letzteres hielt ich schon immer für eine ausgemachte Sache, allein schon deshalb, weil die meisten Geschäfte es ja mithilfe auffälliger Klebchen kenntlich machen, dass ich sie am 24. Dezember um 12.55 Uhr zum Einwickeln genötigt habe. Also selber machen...

Meine lose in zerknittertes Zeitungspapier gehüllten Aufmerksamkeiten bedachte meine Frau ebenso mit hochgezogenen Augenbrauen wie die kläglichen Versuche, widerspenstige Klarsichtfolie mit noch widerspenstigerem Band um ein wohldurchdacht und liebevoll konzipiertes Geschenkensemble zu zurren. Unser geliebter Sohn, den wir unter nicht unbeträchtlichen Mühen in diese Welt gebracht hatten, dankte mir den betriebenen Aufwand mit einem nur mit gutem Willen spöttisch zu nennenden Lächeln, sobald er das passende Alter erreicht hatte. (O zu welchen Gehässigkeiten ihr fähig seid, Neunjährige! Doch warte nur, Freundchen, eines Tages wirst Du feststellen, dass auch Du die Genetik nicht austricksen kannst.)

Autor Arne Jens ist Redakteur in der Wochenzeitungen- und für die Sonderthemenredaktion Region Rendsburg. FOTOS: SH:Z
Autor Arne Jens ist Redakteur in der Wochenzeitungen- und für die Sonderthemenredaktion Region Rendsburg. FOTOS: SH:Z

Immerhin: Kinder vergessen schnell, und umso schneller, je höher der monetäre Wert des Verschenkten anzusetzen ist. Und sie ziehen irgendwann aus, während meine Frau wohl bleibt, hoffe ich.

Manch Träne also wischte ich mir an Heiligabend in unbeobachteten Momenten aus dem Auge, wollte ich doch auch in der Lage sein, die Kunst des Geschenkeinpackens zu beherrschen. Schließlich wird sie nur von denen des Komplimentemachens und des Ersinnens heißer Liebesschwüre übertroffen und in beidem bin ich ebenfalls höchstens Durchschnitt. Nur waren da diese linken Hände... Was also tun?

Schließlich ersann ich eine List, deren Vollkommenheit nur noch von ihrer Einfachheit übertroffen wurde: Lass' jemand anderen einpacken, dachte ich im vergangenen Jahr, als ich nach einem erfolgreichen Weihnachtsbummel mit der so exquisiten wie uneingepackten Beute ins Büro zurückkehrte. Und lass' diesen jemand eine Frau sein, fügte ich in Gedanken noch hinzu...

... das hat doch Waltraud eingepackt!“, sagte mir meine Frau auf den Kopf zu, während sie ihr neues Brillanten-Collier anlegte. Und wusste gar nicht, wie genau sie damit ins Schwarze getroffen hatte.

Ich leugnete tapfer und bot mit beleidigtem Gesichtsausdruck an, wir könnten ja sogleich einmal bei der Kollegin anrufen. Ich müsse der sowieso noch frohe Weihnachten wünschen. „Und du könntest das ja dann auch gleich tun... nachdem du dich bei mir entschuldigt hast, Schatz." Kurz sah es so aus, als würde meine Frau mich beim Wort nehmen. Verzweifelt, aber mit großer Geste und dem Habitus einer ausgepfiffenen Opern-Diva, griff ich zum Telefon - das gab den Ausschlag. Sie winkte ab und rauschte stattdessen zum Spiegel, um sich im Glanze ihres neuen Geschmeides zu sonnen.

Nun ja, Bluffen kann ich besser als Geschenke einwickeln. Dieses Jahr zu Weihnachten schenke ich meiner Frau eine Poker-Ausrüstung. Mal sehen, wer die Ehre haben wird, sie einzupacken.