Um Ihre Registrierung abzuschließen, gehen Sie in Ihr E-Mail-Postfach und folgen dem Link in der Bestätigungsmail. Danach können Sie den Artikel frei lesen. E-Mail erneut senden

Die Lehre von der Bratpfanne und einem Klavier

Wenn Erwartungen einem einen Streich spielen

Manchmal sieht man die besonderen Geschenke des Lebens vor lauter Bratpfannen nicht. FOTOS: STOCK.ADOBE.COM

Schreib einmal über dein schönstes Weihnachtsgeschenk. Mach ich, kann ja nicht so schwer sein. Dachte ich auf jeden Fall. Doch schon nach kurzer Zeit des „im Oberstübchen-Herumkramens“ kam ich zu der Erkenntnis, dass das gar nicht so einfach ist. War es denn nun das gezimmerte Puppenhaus „made by Papa“ oder die leuchtenden Äuglein meiner Kinder, bei ihrem ersten Weihnachtsfest auf Erden. Die Auswahl ist so groß, dass ich mich einfach nicht entscheiden kann. 

Doch eines meiner wohl einprägsamsten Erlebnisse in Sachen schöne Bescherung, das mich nachhaltig mehr Demut gelehrt hat, fällt mir alle Jahre wieder ein. Ein Weihnachtsfest mit großer Familie, neuen und alten Partnern, eigenen und zugewanderten Kindern hat sich tief in mein Gedächtnis festgetackert. Der Boden meines damals riesengroßen Wohnzimmers war übersät von Geschenken. Bunt glitzerndes Weihnachtspapier, unzählige Schleifen verstreuten sich lustig unter den Tannenzweigen. Mit viel Epos teilte mein damaliger Lebensabschnittsgefährte die tollsten Geschenke in Form von Schmuckstücken, Pullovern und Spielkonsolen an die Anwesenden aus. Dann, irgendwo ganz zum Schluss, zwischen Glanz und Glitzer, kam mein Geschenk zum Vorschein. In den hintersten Winkel des Christbaumschattens hatte er es weit weg von meiner Sichtweite deponiert. Die Umrisse förderten auch ohne Auspacken zu Tage, dass das eindeutig eine Bratpfanne sein muss. Lieblos eingerollt in Zeitungspapier, festgeklebt mit braunem Paketband. 

Autorin Julia Voigt ist Redakteurin für Beilagen in der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion. FOTO: VOGT
Autorin Julia Voigt ist Redakteurin für Beilagen in der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion. FOTO: VOGT

Ich erinnere mich gut daran, so als ob es gestern gewesen ist. Die stummen Blicke, die sich sämtliche meiner Familienmitglieder austauschten. Das verlegene Hüsteln meiner Schwester und nicht zuletzt der leicht süffisante Gesichtsausdruck des Schenkers selbst. Und ich mittendrin. Meine tränen-glasigen Augen blieben wohl niemanden verborgen, ebenso wenig wie meine geschwollene Halsschlagader. Wäre gerade jetzt der Blitz in meine Wohnung eingeschlagen, ich wäre nicht böse darum gewesen. Ich kochte vor Wut. Nur mit Poker-Face-Lächeln wickelte ich das schwarze schwere Ding aus und hätte es gern dem Gönner übergezogen. „Auf ein Wort ab in die Küche, bitte.“ 

Doch bevor mein emotionales Maschinengewehr losging, hörte ich den vermeintlichen Übeltäter nur ein „Wer hilft mir denn, das Klavier aus dem Sprinter zu holen?“ sagen. Ein wunderschönes Klavier aus alten Zeiten, neu aufgearbeitet, mit geschnörkelten Beinen und aufwändig polierten Tasten habe ich damals geschenkt bekommen. 

Nie mehr in meinem Leben habe ich mich so überheblich und undankbar gefühlt wie damals. Doch es hat mich gelehrt, erst einmal abzuwarten, bevor der Finger den Abzug zieht. Heute, bald drei Jahrzehnte später, freue ich mich über jedes noch so kleine Geschenk unterm Baum und noch viel mehr über einen entspannten Heiligabend im kleinsten Kreis – und wenn ich ein „Jingle Bells“ auf dem Klavier noch einwandfrei hinbekomme ist das Fest perfekt. JULIA VOIGT