Ein Klavier, ein Klavier! Das rief mein kindliches Herz, als ich gerade mal eingeschult worden war und Weihnachten bevorstand. Meine Oma hatte eine Nachbarin, da durfte ich manchmal ein wenig klimpern, und ich liebte es, den weißen und schwarzen Tasten Töne zu entlocken; doch die wenig sensible Besitzerin des Instruments bescheinigte mir zu kurze Finger, damit sei keine große Pianistinnenkarriere zu erwarten. Trotzdem: Bitte, bitte, Mami und Papi! Und was lag dann als großes Paket auf dem Gabentisch? Ein Webstuhl. Der Schmerz saß tief, bis ich ein paar Heiligabende später eine Gitarre bekam. Ist auch viel praktischer beim gemeinsamen Grölen am Lagerfeuer.
Das kurioseste Weihnachtsgeschenk erhielt ich vor ein paar Jahren. Dabei war der Rahmen klar abgesteckt: Mein Mann und ich wollten uns gegenseitig nichts schenken, außer jeweils ein Buch. Sorgfältig und mit Liebe ausgewählt, vielleicht mal nicht der typische Lesestoff à la schwedischer Krimi, sondern etwas Überraschendes.
Die Spannung war groß am späten Heiligabend: Als unser Kleinkind schlafenderweise dem Festtagsrummel den Rücken zudrehte, legten wir gespannt die beiden Päckchen auf den Tisch. Sie sahen sich sehr ähnlich mit dem gleichen Geschenkpapier, aber schließlich bevorzugen wir beide den gleichen lokalen Lesestoff-Dealer. Auch im Format unterschieden sie sich nicht, aber das soll ja vorkommen. Doch dann schauten wir beide ziemlich sparsam, als zweimal der gleiche Einband zum Vorschein kam – sorgfältig und mit Liebe ausgewählt, und auf ganz besondere Weise überraschend. (Es handelte sich übrigens um „Schlepping durch die Alpen – Ein etwas anderes Reisebuch“ von Sam Apple.)
Das schönste Geschenk für mich lag unterm Baum, als das eben erwähnte Kleinkind schon etwas größer und des Schreibens ein wenig mächtig war: eine selbstgemachte Zeitung. Die morgendliche Lektüre beim Familienfrühstück hatte auf die junge Grundschülerin abgefärbt, und so bekam ich ein ganz besonderes Exemplar der Eckernförder Zeitung im DINA-5-Format mit Klammerheftung.
Es ist ein Unikat mit allem, was dazu gehört. Der Aufmacher auf der Titelseite lautet „Ampel Auserbetrieb wegen Feltmaus“ (tatsächlich gab es mal eine Zeitungsmeldung über eine Maus, die sich im Schaltkasten einer Ampel eingenistet hatte). Darunter ist das Filzstiftbild des „schönzten“ Sonnenuntergangs zu sehen, auf Seite 2 das „schönzte Pferd der Weld“ sowie die Nachricht, dass aus dem Zirkus Morelli ein „Pingoien“ ausgebrochen ist.
Tiere spielten zu der Zeit offenbar eine große Rolle, denn es gibt auch einen Kleinanzeigen-Tiermarkt inklusive Bilder: Für 100 Euro wird etwa der ein Jahr alte Hase Nase angeboten und für 300 Euro das zwei Jahre alte Schwein Karuso – ein Schnäppchen im Gegensatz zur zehn Jahre alten „Girafe Ida“, die mit 1000000 Euro zu Buche schlägt. Die ist dafür nicht als Schwarz-Weiß-Porträt, sondern als einzige in Farbe abgebildet.
Auch an den aktuellen Wetterbericht hatte die Jungredakteurin gedacht, es versprach mit 27 Grad am Nachmittag ein warmer Heiligabend zu werden. Für Unterhaltung und Zerstreuung sorgt schließlich noch das „Samstagsrätzel“. Meine inzwischen 17-jährige Tochter behauptet heute, dass ich den versprochenen Naschi-Gewinn für die richtige Lösung bereits bekommen habe. Ich erinnere mich an nichts – nur daran, welch schönes Weihnachtsgeschenk diese selbstgemachte Zeitung war und ist. BIRTE SIELAND
