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Das große rote Feuerwehrauto

Die schönsten Geschenke bleiben einfach im Gedächtnis

Man hat ja im Laufe eines mittlerweile gar nicht mehr so kurzen Lebens schon so einige Geschenke bekommen. Vom Gutschein fürs Konzert der Lieblingsband über den selbstgemachten Fotokalender von der lieben Familie bis hin zum Kurzurlaub mit der Gattin im Wellnessresort unserer Wahl. Allesamt ganz wunderbare Dinge, aber welches davon auf Platz 1 meiner persönlichen Geschenkerangliste stehen sollte, kann ich nun wirklich nicht sagen. Und ich will es auch nicht, denn alle sind sie mir auf ihre Weise lieb. 

So bleibt mir als Antwort auf die Frage nach meinem allzeit schönsten Geschenk nur diese eine Möglichkeit: Es muss das große rote Feuerwehrauto sein (als wäre ein Feuerauto je grün gewesen, aber das nur am Rande). Denn es ist das erste Geschenk, an das ich mich, wenn auch nur sehr undeutlich und verschwommen, überhaupt erinnern kann. Meine vage Vorstellung bezieht sich noch nicht einmal auf das Spielzeug selbst – es muss wohl ein relativ großes Spielzeuggefährt aus Blech gewesen sein, mit allerlei Sirenen und Klingeln und einer ausfahrbaren Leiter. Ganz genau kann ich das gar nicht mehr sagen, denn besagter Heiligabend ist heute über 50 Jahre her. Sicher bin ich mir heute nur, dass es dieses Geschenk gab. Das Auto selbst ist nicht mehr auffindbar. Vermutlich wurde es Opfer eines größeren Einbruchs auf unserem Dachboden, bei dem auch eine große Kiste mit altem Spielzeug gestohlen wurde. 

Aber es ist auch gar nicht wichtig, wo es ist. Zumindest ist es ja irgendwo in meinem Kopf. Und es ist ohnehin nur ein Symbol. Ein Zeichen, dass man mir kleinem Jungen solch eine Wertschätzung und Liebe gegeben hat, die mich nicht nur zu Weihnachten, dann aber besonders, glücklich machen sollte. Heute kann ich sagen: Damit habe ich wirklich Glück gehabt, denn das ist, wie ich heute weiß, überhaupt nicht selbstverständlich. Nicht alle Kinder haben dieses Glück. Ich erinnere mich an so ein wohlig-warmes, etwas unerklärliches, zweifellos angenehmes Gefühl – irgendwo zwischen Herz und Bauch. 

Ich ahne mehr als dass ich konkret weiß, wie sehr ich mich gefreut habe, damals mit drei, vier Jahren, als zur Bescherung mit einem Glöckchen geklingelt wurde, die Kerzen am Baum noch echt waren und der Familienhund vor Aufregung vor der Bescherung kläffend und springend noch ein paar Christbaumkugeln mehr kaputt machte. Noch jahrelang wurde – ich war längst dem Spielzeugautoalter entwachsen – im Familienkreis von meiner überaus enthusiastischen Reaktion auf dieses Weihnachtsgeschenk erzählt. Strahlende Kinderaugen sind heute ein etwas strapaziertes Klischee, damals muss ich sie wirklich gehabt haben. Ich konnte es wohl derzeit kaum fassen, wie groß, bunt, überwältigend ein Geschenk überhaupt sein konnte. 

Autor Matthias Schlicht ist stellvertretender Leiter der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion. FOTOS: SH:Z; STOCK.ADOBE.COM
Autor Matthias Schlicht ist stellvertretender Leiter der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion. FOTOS: SH:Z; STOCK.ADOBE.COM

Es sind diese verschwommenen, gar nicht düsteren, leicht schimmernden Erinnerungsbrocken, die sich zu einem großen Ganzen fügen, das so etwas gewesen sein muss wie „eine glückliche Kindheit“. Nicht, dass bei uns in der Familie immer alles golden war. Wäre wohl auch etwas zu viel verlangt. Aber Glück, dass es bei allem Gegenwind im Einzelfall immer genügend Menschen gab, die es gut mit mir meinten, das hatte ich schon.

Deswegen haben Geschenke zu Weihnachten für mich bei aller teilweise berechtigten Kritik an Oberflächlichkeit und Massenkonsum einen Sinn – vor allem für die Kleinen und ganz Kleinen. Als liebevolle Geste im Großen und Ganzen. Auch mir und meiner Familie geht es heute gut, meistens jedenfalls und im Vergleich zu ganz vielen anderen Menschen ganz gewiss. Wir passen aufeinander auf und wollen, dass es uns gut geht. Das ist ein wirklich großes Geschenk, vielleicht sogar so groß wie das große rote Feuerwehrauto. MATTHIAS SCHLICHT