Um Ihre Registrierung abzuschließen, gehen Sie in Ihr E-Mail-Postfach und folgen dem Link in der Bestätigungsmail. Danach können Sie den Artikel frei lesen. E-Mail erneut senden

Kleine Geschenke groß im Kommen

Besonders und immer absolut individuell sollten sie sein.

Bereits mit den ersten Herbststürmen und dem immer früher anmutenden Einzug der Lebkuchen in die Supermarktregale lässt mich der Gedanken an die Weihnachtsgeschenke nicht mehr los. Größer, besonderer und immer absolut individuell sollen sie sein. Das sind aber oft genug nicht die Anforderungen der Beschenkten, sondern vielmehr die des Schenkenden - so zumindest bei mir. Für das Patenkind reicht ein kuscheliges Stofftier nicht mehr aus – es muss größer sein als der junge Mann selbst, im besten Fall noch Geräusche von sich geben, die ihm gefallen, aber den Eltern nicht nach einer Woche den letzten Nerv rauben, und binnen Sekunden soll es zum unangefochtenen Lieblingsgefährten werden. Der Griff in den Geldbeutel soll dabei nicht zu tief sein, aber es soll auch nicht den Anschein des geizigen Ebenezer Scrooge machen. 

Ähnlich schwierig wird es bei der etwas älteren Generation: Die Zeiten, in denen man Oma mit einem selbstgemalten Bild oder einem Schnappschuss vom Schulfotografen eine Freude machen konnte, sind leider längst vorbei. Das Talent anderer Familienmitglieder, deren Kunstwerke sich unbemerkt in so manche Galerie schummeln könnten, ist leider an mir vorbei gegangen, so dass ich nach Alternativen suchen muss. Aber was schenkt man jemandem, der sich explizit nichts wünscht, und der auch alles hat, was er braucht? Ich grübele vor mich hin, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass der Wunsch nach nichts vielleicht auch ernst gemeint gewesen sein könnte. „Nein, sie möchte sicherlich nur nicht zur Last fallen“, denke ich mir. Umso besonderer und überraschender soll ihr Geschenk natürlich ausfallen. 

Und Mama? Für den vermutlich am leichtesten zu begeisternden Menschen der Welt sammle ich bereits das ganze Jahr über Ideen – um dann Ende November festzustellen, dass sie sich die meisten Wünsche bereits selbst erfüllt hat. Schön diese Erwachsenen, die sich freuen, sich etwas gönnen zu können und es dann auch einfach tun. Es reicht also nicht mehr, ein Sich-selbst-etwas-kaufen-Verbot für den Dezember auszusprechen – es müsste mindestens auf das gesamte letzte Quartal ausgeweitet werden. 

Der Blick auf den Kalender löst unweigerlich immer mehr Druck aus, denn die Adventszeit fliegt nur so vorbei, während man mit allen anderen Traditionen die Wochenenden verbringt: Plätzchen backen, gelegentliche Besuche auf dem Weihnachtsmarkt und hoffentlich unbemerkt mit Hugh Grant bei „Tatsächlich Liebe“ durchs Haus tanzen. Immer im Hinterkopf, dass ich noch längst nicht alle Geschenke beisammen habe. Der stimmungsvoll anmutende Weihnachtsbummel eine gute Woche vor Heiligabend gipfelt dann zwangsläufig in einem komatösen Erschöpfungszustand, von dem ich eigentlich mehr als nur die Feiertage zur Regeneration brauche. 

Dann denke ich einmal mehr an den Pakt, den ich bereits vor vielen Jahren mit meinen Freunden geschlossen habe – das schönste Geschenk, das wir uns machen konnten: Wir schenken uns nichts mehr zu Weihnachten! Und darin sind wir alle sehr konsequent. Früher hieß es: Das Geschenk darf aber nur 5 Euro kosten. Und was ist dabei herausgekommen? Eine Handcreme, ein Lippenpflegestift, eine Gesichtsmaske und vielleicht noch ein paar Süßigkeiten. Von besonders und individuell keine Spur. Heute ist es maximal ein kleiner Gruß aus der Küche, bei dessen vorweihnachtlichem Produktionsprozess der Spaß und keinerlei Druck im Fokus stehen. Vielleicht noch mit einem Making-of-Foto versehen für einen unbezahlbaren Lacher für jeden, den das Bild an Heiligabend erreicht. 

Autorin Jana Falk ist Redakteurin in der Wochenzeitungenund Sonderthemenredaktion für den Kreis Pinneberg. FOTO: SH:Z; STOCK.ADOBE.COM
Autorin Jana Falk ist Redakteurin in der Wochenzeitungenund Sonderthemenredaktion für den Kreis Pinneberg. FOTO: SH:Z; STOCK.ADOBE.COM

Allen Widrigkeiten zum Trotz schaffe ich es ein weiteres Mal, meinen eigenen Ansprüchen unterm Weihnachtsbaum gerecht zu werden, nehme mir aber ganz fest vor, es mir im kommenden Jahr nicht unnötig schwer zu machen. Denn eigentlich weiß ich doch, dass mein Patenkind sich über jede Kleinigkeit freut, die auch nur den Anschein erweckt, als könne man damit auf einer Baustelle tiefe Löcher ausheben. Größe und Preis sind dabei absolute Nebensache. Und wenn man in den richtigen Augenblicken genau zuhört, rutscht auch Oma mit Fragen wie „Erinnerst du noch den Tee, den wir früher immer getrunken haben, der so lecker nach Zitrone schmeckt?“ ein kleiner Wunsch raus. Und für Mama? Ihr schenke ich ein Notizbuch, in dem wir noch am Heiligabend festhalten, dass wir uns im kommenden Jahr endlich mal wieder auf das Wesentliche beschränken: eine besinnliche Zeit im Kreise der Liebsten. JANA FALK