Um Ihre Registrierung abzuschließen, gehen Sie in Ihr E-Mail-Postfach und folgen dem Link in der Bestätigungsmail. Danach können Sie den Artikel frei lesen. E-Mail erneut senden

Das Warten aufs „Anschließring“

Autor Arne Jens freut sich auf neue technische Männer-Spielzeuge zu Weihnachten.

Ich bin eigentlich ein eher moderner Mann. („Halbtags“, höre ich Harrison Ford aus Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ im Hintergrund trocken einfügen). Ich habe nichts gegen Gendern, ich esse meist vegetarisch, gelegentlich gar vegan, ich helfe im Haushalt. („Aber wir reden immer noch von einem Mann?“ höre ich Bill Murray aus „Und täglich grüßt das Murmeltier“ Andie MacDowell so süffisant wie inzwischen aus der Zeit gefallen fragen). Tun wir, Billy Boy. Denn in manchen Dingen bin ich ganz Kerl geblieben: Ich kann nicht besonders gut zuhören, ich genieße Bier und Fußball (sogar schlechten). Und wenn man mich glücklich machen will, schenkt man mir zu Weihnachten Technik. Ich liebe Technik, auch wenn ich praktisch komplett ahnungslos hinsichtlich ihrer grundlegenden Funktionsweise bin. Aber ich packe sie gern aus, ich stelle sie gern auf, ich schließe sie gern an und ich richte sie gern ein. 

Mein schönstes Geschenk war dementsprechend die Krone unter den Technikgeschenken… Hat hier jemand „ein Auto“ gesagt? Wer schon mal ein Auto zu Weihnachten geschenkt bekommen hat, legt nun besser unsere Zeitung aus der Hand und liest weiter in seinem „Daily Millionaire“.Ich rede natürlich von einem Fernseher. Und selbstverständlich nicht von irgendeinem verstaubten Flachbildschirm aus der Grabbelkiste, „Hd-ready“ (würg) und mit der Bildschirmdiagonale einer größeren Digitaluhr. Ich rede von einem richtigen Fernseher, mindestens 65 Zoll von einer Ecke zur gegenüberliegenden, 4K oder noch besser 8K, eine Batterie von Anschlüssen und, wenn er nicht eingeschaltet ist, von einem glänzenden, monolithischen, männlichen Pechschwarz. („Ho-ho-ho“, höre ich jemanden im Hintergrund sagen und es ist nicht der Weihnachtsmann, sondern Tim, der Heimwerker-King aus „Hör mal, wer da hämmert“. Der Weihnachtsmann hatte das Ding nach allem, was ich weiß nur anschleppen dürfen. Keine Ahnung, wie er den Brummer durch den Schornstein gekriegt hat. Irgendwas geht da nicht mit rechten Dingen zu.)

An Heiligabend himmelte ich das sich noch in seinem Kartonkleid befindliche Ungetüm, das locker die untere Hälfte des von der besten Frau der Welt mit Liebe und Akribie geschmückten Tannenbaums verdeckte, lediglich stundenlang und still verzückt an. Bis mich erwähnte Tannenbaumschmückerin schmerzhaft in den Arm kniff. Ich schwelgte in Wachträumen von den Freuden des 1. Weihnachtstages, sollte es dann doch endlich an das eigentliche Highlight eines jeden geschenkten technischen Gerätes gehen: das Unboxing und Anschließing. „Du weißt ja, dass wir morgen zu meiner Mutter fahren“, riss mich meine Gemahlin so jäh wie gemein aus meinen fast wollüstig zu nennenden Kontemplationen. Verflixt, das hatte ich vergessen! 

Quälend lang zogen sich die Stunden des traditionellen Besuches bei der Schwiegermutter hin. Bestimmt trog mich mein Eindruck, dass sich die Gastgeberin beim Anschneiden der nicht minder traditionellen Torte besonders viel Zeit ließ. Während ich mich verzweifelt an meine Kuchengabel klammerte, sah ich mich vor meinem inneren Auge: in einem Haufen Verpackungsmaterial sitzend, eine Fernbedienung in der fiebrig zitternden Hand, je ein HDMI- und ein Netzwerkkabel um den Hals gewickelt wie kostbares Geschmeide und heiser „UHD! UHD! UHD!“ skandierend. 

Beinahe hätte ich mir ein Taxi gerufen, doch ein Gedanke hielt mich zurück: Wenn hier die nächste Anschaffung im erweiterten Bereich Unterhaltungselektronik fällig würde, wer dürfte dann wohl die nötigen Anschluss- und Einrichtungsarbeiten übernehmen? Ich und niemand sonst! Und die Installation einer Soundbar oder eines Druckers macht erst richtig Spaß, wenn die eigene Schwiegermutter dir dabei bewundernd über die Schulter schaut. Ich griff noch mal zur Kaffeetasse und lehnte den angebotenen Kommodenlack dankend ab. Merke: Kein Alkohol vor dem Anschließing! Sogar nüchtern geht selbst der längste Nachmittag irgendwann zu Ende. 

Autor Arne Jens ist Redakteur in der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion für die Region Rendsburg. FOTOS: SH:Z; STOCK.ADOBE.COM
Autor Arne Jens ist Redakteur in der Wochenzeitungen- und Sonderthemenredaktion für die Region Rendsburg. FOTOS: SH:Z; STOCK.ADOBE.COM

„Ich finde, am Feiertag kannst du auch mal die abendliche Hunderunde übernehmen“, säuselte mir meine Frau auf dem Rückweg honigsüß ins Ohr. Sollen die heute einfach mal ins Haus pinkeln, antwortete ich in Gedanken, ist doch schließlich Weihnachten. „Und danach mache ich uns die Reste von gestern warm und dann gucken wir direkt Sissi“, fuhr die höchstens noch zweitbeste Ehefrau der Welt im Plauderton derjenigen fort, die alle Zeit der Welt haben. Hunde ausführen? Ok. Essen? Naja, ist vielleicht besser, wenn der Fernseher nach dem Stapellauf (anders als bei Schiffen) zünftig getauft werden soll. Aber „Sissi“?!? 

Auf dem Beifahrersitz platzte meine alberne Angetraute beinahe vor Vergnügen. Da hatte sie mich aber schön auf die Rolle genommen. Sie ist eben doch die Beste. Manchmal habe ich fast den Verdacht, es war doch nicht der Weihnachtsmann, der damals den Fernseher gebracht hat… ARNE JENS