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Der heilige Paketbote

Vor ein paar Jahren hat uns eben dieser einem neuen Weihnachtsklassiker verschafft.

Fast wäre die Patchworkfamilie unseres Redakteurs Armin Struve an Heiligabend vor leeren Tellern gesessen. Doch außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen und so wurde das bestellte Mahl samt Kühlbox aus dem Paketlager persönlich abgeholt. FOTO: STOCK.ADOBE.COM

Gerade die Vorweihnachtszeit und speziell der Heiligabend sind immer wieder gut für ein paar Klassiker. Dinge, auf die man sich verlassen kann. Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt zum Beispiel. Ein Klassiker. Vergebliches Warten auf eine weiße Weihnacht, mittlerweile auch – ein Klassiker. Die hektische Suche nach Geschenken auf den letzten Drücker. K.L.A.S.S.I.K.E.R. Was uns dann vor einigen Jahren widerfuhr, war die Vermischung diverser Traditionen mit einem dennoch unvorhersehbaren Ende. 

Es begab sich also zu jener Zeit...ach nein, anders. Seit einigen Jahren bin ich Teil einer Patchwork-Familie. Backen und Kochen gehörten schon immer zu meinen liebsten Hobbys und so war es, als die Familie noch ohne Patch existierte, zumeist meine Aufgabe, für Kekse und leckeres Essen zu den Festtagen zu sorgen. Nach der Erweiterung der Familienkonstruktion war ich dann aber derjenige, der sein trautes Heim verließ, um beim anderen Teil der Familie in Hamburg zu feiern. Gerade das Kochen war seitdem daher eher weniger meine Aufgabe. Und so durfte ich einmal beobachten, wie sich der traditionelle Gänsebraten – noch so ein Klassiker, wenn es denn funktioniert – im fremden Ofen quasi verselbständigte. Die Formulierung „explodierter Vogel“ war zu hören, als der offene Bräter aus der Röhre gezogen wurde.

Geschmacklich war das ganze völlig in Ordnung, optisch wollte er sich aber nicht so recht in die Klassiker-Kollektion einordnen lassen. Um dies beim nächsten Mal zu vermeiden, entschieden wir uns, zum nächsten Fest das Essen zu bestellen und uns postalisch zustellen zu lassen. Wie sich herausstellen sollte, war auch dies nicht der Start einer(vor)weihnachtlichen Tradition. 

Nach umfangreicher Recherche hatten wir uns auf ein Restaurant nördlich von Hamburg geeignet, das den vorgegarten Vogel samt Beilagen termingerecht mit dem größten deutschen Paketdienst liefern sollte. Soweit die Theorie. Praktisch hatten wir uns dafür entschieden, die vakuumierten Köstlichkeiten für Freitag, den 22. Dezember, zu bestellen. So wäre auch noch am Sonnabend, den 23. Dezember, Zeit gewesen, falls es nicht doch noch zu – Achtung Klassiker! – Verzögerungen bei der Zustellung kommen sollte. 

Am 22. blieb also ständig jemand an der angegebenen Lieferadresse vor Ort, um den feierlichen Lieferservice auf keinen Fall zu verpassen. Was allerdings nicht von Erfolg gekrönt war. Stattdessen gab es am 23. Dezember per Mail die Nachricht: Wir haben Sie leider nicht angetroffen. Das Paket wird am nächsten Werktag zugestellt. (Ich weiß: Klassiker!) Was in diesem Fall bedeutet hätte: Am Mittwoch, 27. Dezember. 

Das Entsetzen der Nichtbelieferten war groß, die Gedanken kreisten und man suchte nach kurzfristigen Alternativen, trotzdem noch für den Heiligen Abend ein besonderes Essen auf den Tisch zu zaubern. Eine praktikable Lösung sollte sich jedoch nicht so einfach finden lassen. Und so kam man wieder zurück zum verwaisten Paket, das seinen Weg zum Empfänger noch nicht gefunden hatte. 

Autor Armin Struve ist Redakteur in der Wochenzeitungen und Sonderthemenredaktion für Sylt. FOTO: SH:Z
Autor Armin Struve ist Redakteur in der Wochenzeitungen und Sonderthemenredaktion für Sylt. FOTO: SH:Z

Der Plan lautete: Wir fahren zum Paketlager und holen die Styroporbox, in der das Essen samt Kühlakkus transportiert worden war, eigenhändig dort raus. Was sich als schwieriger erwies als angenommen. Die Tore waren zwar weit offen, Zutritt für Normalsterbliche war aber dennoch nicht vorgesehen. Und die Kommunikation mit den Paketboten auf der Laderampe war auch nur von kurzer Dauer. Trotz Schilderung unserer Lage hieß es nur: „Dafür haben wir jetzt keine Zeit!“ Was uns nicht davon abhielt, hartnäckig zu bleiben. Schließlich stand das Festmahl zu Heiligabend auf dem Spiel. Und so warteten wir auf die nächsten Fahrzeuge, schilderten den einzelnen Paketboten erneut unser Problem und trafen dann auf den einen, der uns das größtmögliche Geschenk zu diesem Weihnachtsfest machte. Er prüfte kurz, ob das Paket bei ihm im Wagen war. Dem war zwar nicht so, aber er machte sich im Lager bereitwillig auf die Suche. Er brauchte nur wenige Schritte und hatte die Box unserer Begierde gefunden. Ich mag mich täuschen, aber eigentlich bin ich mir sicher, dass ihn ein helles Leuchten umgab und die himmlischen Heerscharen zu singen begannen, als er uns das Paket überreichte. Ach ja, und die Erzählung dieser Geschichte gehört jetzt auch bei uns zu den weihnachtlichen Klassikern. ARMIN STRUVE