„Der Albatros soll Luft unter die Schwingen bekommen“

Bogenschießen, Meditationen und Schwitzhütte: Das Kloster Freiheit setzt auf Gemeinschaft

Susanne Schöning kümmert sich selbst um Kräuter und Gemüse im Gewächshaus. Fotos: Joachim Pohl

Es ist ruhig hier am Ende der Zuckerstraße, am äußersten Stadtrand, ganz am Ende der Freiheit. Am schmiedeeisernen Tor ist eine Klingel, mit einem Summton öffnet sich das Tor. Der Eingang zu dem Gebäude ist von einem breiten Holzrahmen eingefasst. Nach dem Betreten wird man wie von Geisterhand nach links gezogen, hinein in den großen Raum mit Holzmöbeln, einem Holzregal, einem Fußboden aus Holz und Stein, mächtigen Säulen aus Sichtbeton und Blicken einerseits in die offene Küche und andererseits hinaus in den Garten und auf die Schlei.

Dies ist das Kloster Freiheit, das die Schleswiger Unternehmerin Susanne Schöning hier in den letzten Jahren erbaut hat und ihm nun seit einigen Monaten nach und nach immer mehr Leben einhaucht. Es ist kein Kloster unter dem Dach einer Kirche, in dem Mönche leben, arbeiten und beten. Es ist auch kein Kloster des Adels, wie das St. Johanniskloster, das ein paar hundert Meter Schlei einwärts liegt. Das Kloster Freiheit ist ein Haus, in dem Menschen zusammenleben, die einen bestimmten Blick auf das Leben haben.

„Zuerst müssen Sie einen Engel ziehen“, sagt Susanne Schöning mit einem strahlenden Lächeln. Auf dem Tisch liegen umgedreht winzige Kärtchen mit einem Engel. Dreht man sie um, erscheinen Begriffe wie Schönheit, Begeisterung, Erwartung, Offenheit. Jeder Bewohner zieht morgens einen Engel; der Begriffsoll die Person dann durch den Tag begleiten.

In den Gärten Lebensmittel für den Eigenbedarf

Nach den Einschränkungen der Pandemie, die das Kloster Freiheit in der Entstehungs- und Startphase trafen, blickt Susanne Schöning jetzt voller Optimismus in Richtung Sommer und Herbst. „Der Albatros soll Luft unter die Schwingen bekommen“, hatte sie anlässlich der tibetischen Segnung des Gebäudes vor einigen Tagen gesagt.

Gastgeberin Susanne Schöning in der Küche des Klosters.

Vor über 40 Jahren hatte sie das Unternehmen Zwergen wiese in Silberstedt gegründet und danach stetig vergrößert. Ausgangspunkt war damals die Herstellung gesunder, vegetarischer Brotaufstriche, deren Ursprungsprodukte sie anfangs selbst angebaut hat. Und heute trägt sie nicht nur eines der Poloshirts mit dem Zwergenwiese-Emblem, sondern produziert in den Gärten des Klosters erneut Lebensmittel für den Eigenbedarf der Bewohner.

Doch wer sind die Bewohner? Das Kloster Freiheit ist - wie gesagt-kein Kloster, aber es ist ganz sicher auch kein Hotel. Es ist möglich, sich für ein „Retreat“, einen Rückzug, für einen Zeitraum ab einer Woche einzuquartieren. In dieser Zeit kann man Teil der Hausgemeinschaft werden, zu der neben der Gastgeberin eine Bürokraft und ein Hausmeister gehören, der aber auch Gymnastik-Kurse leiten kann. Um 8 Uhr trifft man sich zum Frühstück. „Und mittlerweile schaffen wir es auch, um 13 Uhr das Mittagessen aufzutischen“, sagt Susanne Schöning verschmitzt. „Und danach meditieren wir für eine halbe Stunde.“

Man kann sich aber auch komplett zurückziehen und tagelang mit niemandem sprechen. Es gab einen Besucher, einen „Klausuranten“, der zehn Tage Vipassana gebucht hatte. „Da ist man komplett nach innen gekehrt und hat keine Außenkontakte“, erläutert Susanne Schöning. „Die Ernte: Man ist danach voller Energie.“ Es komme darauf an, den Zugang zu der inneren Kraftquelle zu finden.

Neben den Angeboten für die Gäste des Hauses gibt es auch offene Angebote für Nicht-Bewohner, wie zum Beispiel das intuitive Bogenschießen, Taiji oder Zen-Meditation. Ein richtiges Highlight soll im August die Schwitzhütte nach indianischem Vorbild werden, wo zunächst aus Weidenruten und Decken eine Behausung gebaut und dann mit Feuer und heißen Stein ganz viel Hitze erzeugt wird. „Das ist Heilung pur!“, schwärmt Susanne Schöning.

Gut geeignet sei das Kloster zudem für Methoden wie das Familienstellen. Das Kloster sei allerdings kein Seminarraum, das man zum Beispiel für eine Fortbildung bucht. Es muss alles inhaltlich zueinander passen.

Vor dem Kloster wartet ein großes, fein säuberlich in Reihen gepflanztes Lavendelfeld auf Sommer und Sonne. Im Gewächshaus sprießen Kohlrabi und Tomaten, Koriander und Gurken, Radieschen und Spinat und vieles mehr. Am Rande der Wiese stehen Bienenstöcke, die von einer Imkerei betreut werden. „Das Ziel ist letztlich die Selbstversorgung.“

Und wie sieht das Kloster Freiheit in fünf Jahren aus? „Da haben wir neue Klausuranten. Es sind Gäste hier, die das Kloster kennengelernt haben und die gern wieder kommen. Es sind Menschen, die den Wert dessen, was sie hier vorfinden, zu schätzen wissen. Ich wünsche mir, dass die Menschen, die hier sind, ihre Fähigkeiten einbringen.“ Joachim Pohl