Erste Hilfe für Eichhörnchen

Die Eichhörnchen-Schutzstation in Eckernförde wird ehrenamtlich geführt

Schnell holt sich Eichhörnchn Tilda sich ein paar Nüsse von Moni Rademacher. Fotos: Joachim Pohl

Tilda ist alles andere als schüchtern. Der neue, fremde Besucher, der nur ausnahmsweise in das Gehege darf, wird kurz beobachtet und schwups - schon krabbelt sie an seinem Hosenbein hoch und weiter den Mantel hinauf. Schnell holt sie sich ein paar Nüsse von Moni Rademacher und versteckt sie bei dem fremden Mann in der Manteltasche und oben im Kragen. Man muss sich ja Reserven für den Winter anlegen.

Tilda ist Dauergast in der Eichhörnchen-Schutzstation in Eckernförde. Hier werden kranke, verletzte oder auch behinderte Eichhörnchen aufgepäppelt und anschließend wieder ausgewildert. Doch es gibt auch einzelne Tiere, die dafür nicht geeignet sind, die ein Handicap haben und in der freien Wildbahn womöglich verenden würden. Dazu gehört Tilda.

„Ich möchte die Menschen ermuntern, genau hinzuschauen in der Natur, uns anzurufen, wenn sie womöglich ein verletztes Tier sehen. Ich möchte auch Mut machen, Fragen zu stellen, zum Schutz der Eichhörnchen, aber auch zur naturnahen Gestaltung des Gartens.”
Moni Rademacher

„Ja, sie ist ein bisschen plemplem", sagt Moni Rademacher augenzwinkernd. Sie ist seit vielen Jahren das Gesicht der Schutzstation. Matti, 20, der hier ein Freiwilliges ökologisches Jahr absolviert, drückt es etwas anders aus: ,,Wenn sie ein Mensch wäre, würde man sagen, sie hat ADHS." In der Tat ist Tilda immer in Bewegung und vielleicht etwas hyperaktiv. Zutraulich ist sie in jedem Fall. „Aber wenn ich sie greife, dann beißt sie auch schon mal zu“, weiß Moni Rademacher.

Tilda lebt zusammen mit derzeit vier Artgenossen in einem großen, sehr naturnah gestalteten Gehege mit einem großen Baum in der Mitte. Überall kann man klettern, es gibt mehrere Boxen mit kleinen Öffnungen, in denen die Eichhörnchen schlafen. Natürlich bekommen sie auch Nüsse und anderes Futter, das sie wie in der freien Natur gern verstecken, als Reserve für den harten Winter.

Die Eichhörnchen-Schutzstation wurde 2006 gegründet; sie gehört zum Umwelt-Info-Zentrum. Das Gelände in der Verlängerung des Hans-Christian-Andersen-Wegs ist sehr naturnah; es wurde von der Stadt gepachtet. ,,Zu 99 Prozent betreiben wir die Schutzstation ehrenamtlich", sagt Monika Rademacher.

Es werden Eichhörnchen aus allen Teilen Schleswig-Holsteins aufgenommen, berichtet die Leiterin. Die unter Schutz stehenden Tiere sind extrem aktiv und bewegungsfreudig - und da passiert dann auch schon mal was. „Ein Junges kann aus dem Kobel fallen und sich verletzten oder bei Sturm stürzt schon mal ein ganzer Kobel ab." Kobel heißen die von den Tieren selbst gebauten Behausungen. Sie können aber auch durch Angriffe von Katzen oder Hunden verletzt werden. Eingeliefert werden sie mit Brüchen, inneren Verletzungen, auch schon mal einem Schädel-Hirn-Trauma und häufiger mit verletzten Zähnen. Von Menschen gemachte Gefahren nehmen zu, zum Beispiel in Form von offenen Regentonnen, in denen die Tiere ertrinken können. ,,Einfach einen Ast schräg in die Tonne legen“, rät die Expertin. „Daran kann jedes Tier wieder rauskrabbeln."

Eichhörnchen werden maximal acht bis zehn Jahre alt, im Durchschnitt jedoch nur zwei bis sechs Jahre. ,,Die Sterblichkeit bei den Jungtieren ist sehr hoch. Nur 30 Prozent aller Jungtiere erreichen überhaupt das erste Lebensjahr."

Eichhörnchen mit einer Zahn-Fehlstellung können nicht mehr ausgewildert werden. Die Zähne müssen regelmäßig abgeschliffen werden. ,,Das machen wir selbst, das geht ganz schnell", so Rademacher. 2020 wurden rund 250 Eichhörnchen aufgenommen, ein Jahr später waren es exakt 300, in diesem Jahr sind es bisher 262 Tiere. ,,Es dürften über die Jahre mehrere tausend gewesen sein", schätzt die Leiterin. Und es wurden deutlich mehr in den letzten Jahren.

Die Arbeit in der Schutzstation hat es in sich. Es gibt immer etwas zu räumen oder zu reparieren. Eine Herausforderung ist jedoch die Betreuung ganz junger Eichhörnchen, die ihre Mutter verloren haben. Sie müssen alle zwei Stunden gefüttert werden, 24 Stunden am Tag. Außerdem gehören regelmäßige Bauchmassage und die Urinstimulation zu den lebenswichtigen Behandlungen. Wer einfach nur ein bisschen mit süßen Eichhörnchen kuscheln möchte, ist hier fehl am Platze.

Wenn die kleinen Tiere mit dem buschigen Schwanz zwölf Wochen alt sind, werden sie ausgewildert. Vorher kommen sie rund vier Wochen in das getrennt liegende Auswilderungsgehege, das für Besucher nicht einsehbar ist. Hier finden sie Bedingungen, die denen in der Natur sehr nahe kommen. Und dazu gehört auch, dass Menschen nicht in der Nähe sind.

Besucher sind ansonsten durchaus gern gesehen in der Schutzstation, es dürften vor der Pandemie rund 15.000 im Jahr gewesen sein, schätzt Moni Rademacher. Am Gehege für die Dauergäste, das für bis zu 10 Tiere Platz hat, können sie die geschäftigen Vierbeiner gut beobachten. Wenn sie genau hinschauen, bemerken sie vielleicht, dass Tilda hier die Chefin ist und bei der Fütterung immer als erste an der Reihe ist.

Die Arbeit der Schutzstation ist genehmigt durch das Veterinäramt und die untere Naturschutzbehörde. ,,Alle gesetzlichen Bestimmungen werden selbstverständlich eingehalten“, betont Moni Rademacher.

Sie möchte mit der Arbeit in der Schutzstation Mut machen. ,,Ich möchte die Menschen ermuntern, genau hinzuschauen in der Natur, uns anzurufen, wenn sie womöglich ein verletztes Tier sehen. Ich möchte auch Mut machen, Fragen zu stellen, zum Schutz der Eichhörnchen, aber auch zur naturnahen Gestaltung des Gartens."  Joachim Pohl

→ Eichhörnchen-Schutzstation Eckernförde
Hans-Christian-Andersen-Weg 7
24340 Eckernförde.
Tel. 04351-720255 (AB).