Wenn Akademiker lieber Brötchen backen

Marion Meggers und Jens-Uwe Böhling sind dem Schreibtisch entkommen und bereuen nichts

Jens-Uwe Böhling und Marion Meggers sind immer in Bewegung. Das gilt auch für ihre Bäckerei, die sie beständig weiter entwickeln. Gebacken wird im Steinbackofen, viele der Rohstoffe stammen aus der Region. Fotos: Arndt Prenzel

Das ist schon eine besondere Geschichte: Da lernt sich im Studium in Kiel ein junges Paar kennen. Sie kommt aus Ellingstedt, studiert Bauwesen, er kommt aus Sittensen, studiert Betriebswirtschaft. Nach Abschluss der Studien ziehen Marion Meggers und Jens-Uwe Böhling nach Frankfurt, wo sie bei größeren Firmen als Bauingenieurin bzw. als Finanzanalyst arbeiten.

„Irgendwie war uns schnell alles zu groß“, sagt Marion Meggers heute. „Die Stadt, die Unternehmen, die Lebensweise.“ Heute lachen beide darüber. „Als sich das erste Kind ankündigte, haben wir die Reißleine gezogen!“ Ein Neustart stand an. Doch, womit und wie? Manchmal ist das Naheliegenste das Beste. „Wie wäre es, wenn wir die Bäckerei der Familie in Ellingstedt übernehmen?“ Die Frage stand im Raum, denn Seniorchef Werner Meggers dachte über einen Abschied in Raten nach.

Mit 28 Jahren eine Bäckerlehre

Jens-Uwe Böhling stimmte zu und machte „Nägel mit Köpfen“: Er begann mit 28 Jahren eine Bäckerlehre, machte seinen Meister. Marion Meggers übernahm sämtliche administrativen Aufgaben sowie den Verkauf. Beide betrachten die Entscheidung als Glücksfall, gerade in Hinsicht auf die Kinder. „Drei Generationen sitzen zum Essen an einem Tisch, die Kinder sausen bei Bedarf mit dem Bobby Car durch die Backstube, während „Opa“ Meggers ein Auge auf sie hat.

Gerade Jens-Uwe Böhling kann seinem Beruf viel abgewinnen. „Die Klischees stimmen nicht mehr!“ Klar, müsse man früh aufstehen, doch: „Ich hatte ab 11 Uhr frei, konnte mich so um die Kinder kümmern.“ Daher sei der Beruf in Zeiten der Doppelverdiener von Vorteil, wenn das Familienleben stattfinden soll. „Unsere Kinder haben es auch nie als Nachteil empfunden, dass wir nie im Urlaub waren“, sagt das Ehepaar, das wie ein unschlagbares Doppel wirkt. Den Kleinen war es wichtig, im Nest der Familie aufzuwachsen und „dabei zu sein“, inklusive kleinerer Arbeiten wie Ausfegen.


„Wir sind da ein bisschen altmodisch und backen unser gesamtes Sortiment noch auf richtigen Steinplatten.“

Marion Meggers


Diese animierende Atmosphäre hat sich weitergetragen. 2016 begann Tochter Jule Meggers ihre Ausbildung zur Bäckerin im Betrieb. Inzwischen schwingt sie in der Flensburger Dependance „Seute Deern“ das Zepter. „Unsere Arbeit muss man mit Herzblut machen“, sagt Jens-Uwe Böhling, als er weiter vom Handwerk erzählt. Er schätzt die Kreativität. „Die Kreation neuer Brotsorten bringt viel Spaß“, sagt er. So hat er gerade ein Bio-Haferbrot mit „Getreide aus der Flensburger Bergmühle“ entwickelt. Ein Teil des Verkaufspreises geht an den Mühlenverein. „Wir sind da ein bisschen altmodisch, denn wir backen – als eine der ganz wenigen Bäckereien – unser gesamtes Sortiment noch im Steinbackofen, also auf richtigen Steinplatten“, sagt Marion Meggers.

Sie weinen ihren Schreibtischjobs keine Träne nach. Jens-Uwe Böhling arbeitete als Finanzanalyst, Marion Meggers als Bauingenieurin. Heute führen sie den Familienbetrieb in Ellingstedt. FOTOS: ARNDT PRENZEL

„Wir versuchen daher, unsere Rohstoffe aus der Region zu beziehen. Unser Dinkel kommt aus Schinkel, unser Roggen aus der Eiderregion – dieser wird noch über alte Roggenhammerstühle vermahlen. Das Weizenmehl bekommen wir von der Rusch Mühle aus Itzehoe.“

Es gibt noch viel zu erzählen, warum das Bäcker-Handwerk ein ganz besonderes Handwerk ist. Der Kontakt zu den Menschen, den Marion Meggers auf den Wochenmärkten gehört ebenso dazu wie das Weitergeben von Wissen. „Wir erklären gern immer wieder, dass Dinkel nicht dunkel sein muss – ganz im Gegenteil!“ Die Zeiten der schweren Mehlsäcke sind vorbei, Agilität ist die Devise. „Ich bin immer in Bewegung und liebe es“, sagt Jens-Uwe Böhling, der wie seine Gattin froh ist, dem Schreibtisch im Frankfurter Hochhaus entronnen zu sein. Text Arndt Prenzel