Verantwortung für die Würde der Toten

Leben und Tod haben auch eine gesellschaftliche Bedeutung

Ein Beispiel für lebendige Trauerarbeit mit gesellschaftlicher Relevanz: Die Trauerhaltestelle auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf. Foto: Bundesverband Deutscher Bestatter e. V.

Die stillen Feiertage im November bieten die Gelegenheit, sich mit den existenziellen Themen Leben und Tod auseinanderzusetzen. Diese Themen sind nicht ausschließlich religiös geprägt, sondern berühren uns tief in unserer Lebenswirklichkeit. Dennoch spielen Religion und Glaube gerade an diesen stillen Novembertagen für viele Menschen eine bedeutende Rolle.

Leben und Tod haben auch eine gesellschaftliche Bedeutung. Die Reflexion über existenzielle Themen ermöglicht uns einen Blick in die eigene Gegenwart und in die Zukunft. Der Totensonntag zum Beispiel bietet eine große, allgemeingültige Deutungsmöglichkeit. Er gibt uns als Gesellschaft die Chance, über uns selbst nachzudenken und Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.

Die aktuellen kriegerischen Handlungen in der Ukraine und in Israel sowie zahlreiche andere Kriege, die täglich unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung stattfinden, verleihen dem Volkstrauertag eine traurige Aktualität. Flüchtlinge, die auf dem Weg in ein besseres Leben im Mittelmeer ums Leben kommen, sind gewissermaßen gleich vor unserer Haustür zu finden. Ebenso sind Opfer von Naturkatastrophen und traumatisierte Überlebende, die Familie, Freunde und ihre Existenz verloren haben, zu beklagen. Die stillen Feiertage sollten jedoch nicht nur mit dem Gedenken an Kriegs- und Katastrophenopfer in Verbindung gebracht werden, sondern sie können uns auch zum Innehalten bewegen und eine kollektive Erinnerung an die Verstorbenen ermöglichen.

In Deutschland werden in diesem Jahr über eine Million Menschen gestorben sein – Menschen aller Glaubensrichtungen und gesellschaftlichen Schichten, arme und reiche, alte und junge, gesunde und kranke Menschen. Nehmen wir sie wahr? Sprechen wir über sie? Überwinden wir, zumindest im Tod, kulturelle, religiöse und politische Grenzen? Ein Beispiel ist eine Initiative der Stiftung Deutsche Bestattungskultur. Mit der Errichtung der Trauerhaltestelle auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf wurde ein realer Ort geschaffen, an dem jeder nach seiner Art trauern darf und seine Trauer in Wort und Bild sichtbar machen kann. Hier findet lebendige Trauerarbeit mitten in der Gesellschaft statt.

Ein ganz anderer Einsatz erfolgt durch die ehrenamtlichen Bestatterinnen und Bestatter der Organisation Deathcare Germany e.V. Sie reisen dorthin, wo menschliche Existenz gerade erst erschüttert wurde – sei es durch Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen oder Stürme oder durch Flugzeugabstürze und Zugunglücke. Sie unterstützen vor Ort aktiv und mit Beistand die Helfer, bergen und versorgen Verschüttete und Verstorbene und geben vor allem den Toten ihren Namen zurück.

Nicht zu vergessen sind auch die Bestatterinnen und Bestatter vor Ort, in kleinen Städten und großen Metropolen, in allen Bundesländern unserer Republik. Sie stehen täglich den Angehörigen in ihrer Trauer bei, versorgen die Verstorbenen, beraten, unterstützen und organisieren professionell alle Aufgaben einer Bestattung.

Der Bundesverband Deutscher Bestatter ruft dazu auf, den November zu nutzen, um an diejenigen zu denken, die von uns gegangen sind, sowie an diejenigen, die andere Menschen auf diesem schweren Weg begleiten. „Denn das macht uns als Gesellschaft aus: nicht nur wie wir mit den Lebenden umgehen, sondern auch wie wir die Toten behandeln. Denn auch die Menschenwürde eines Verstorbenen ist nicht verhandelbar, sondern unsere gesellschaftliche Verpflichtung.“ BdB

www.stiftung-deutsche-bestattungskultur.de/projekte/trauerhaltestelle-hamburg
www.deathcare.de