Wenn aus Beruf Berufung wird

Als Klavierbauer im Lande unterwegs

Hans Andreas Carstensenhat seine Leidenschaft fürKlaviere zum Beruf gemacht.

Acht Stunden am Tag am Schreibtisch zu sitzen, ist nicht jedermanns Sache. Mit den Händen etwas zu schaffen, mit verschiedensten Materialien kenntnisreich umzugehen und am Ende der Anstrengung eine Arbeit zu sehen, die tiefe Befriedigung verschafft, ist für viele Menschen das Ideal. „Unser Handwerk“ hat Menschen getroffen, die sich dieses Ideal erfüllt haben.

Klavierbauer Hans Andrees Carstensen bereist den ganzen nördlichen Landesteil, um Klaviere zu stimmen - oder aber von ihm restaurierte Instrumente auszuliefern. Der 35-Jährige ist im Norden aufgewachsen und nach Jahren der Ausbildung mit seiner Familie wieder zurückgekehrt. „In meiner Lehrzeit in einer Werkstatt in Süddeutschland habe ich den Beruf von der Pike auf gelernt“, sagt er. Die gute berufliche Tradition der Carstensens als Klavierbauer geht in die nächste Generation.

Derzeit hat er einen besonderen Gast in seiner Werkstatt. Es ist ein uralter Flügel, der wieder auf Vordermann gebracht werden muss. „Im Vorjahr wurde er stolze 125 Jahr alt!“ sagt der junge Nordfriese lächelnd. „Der Zahn der Zeit hat an ihm genagt.“ Der historische Flügel, der wie auf dem Operationstisch in seine Einzelteile zerlegt wurde, „wächst“ unter seinen fachmännischen Händen in monatelanger Arbeit wieder zusammen. Möglichst viele Original-Teile bleiben im und am Instrument. „Ich habe gerade den Resonanzboden, der an mehreren Stellen gerissen ist und sich von den Rippen gelöst hat, aufgearbeitet“, berichtet Hans Andrees Carstensen. Die große Gusseisenplatte hält den Flügel als Rahmen in der Gesamtheit zusammen. Eine Zugkraft von 15 bis 20 Tonnen muss sie aushalten können. Alle Saiten wurden zu Beginn der Restaurierung entfernt, die Risse sind nun mit speziellen Spänen neu verleimt. Zu sehen ist ein echtes Firmenschild der Firma Blüthner aus Leipzig. „Anhand der Produktionsnummer lassen sich Details belegen“, erzählt der Klavierbauer. Die Stege wurden ebenfalls sorgsam bearbeitet. Sie übertragen die Schwingung der Saiten auf den Resonanzboden, der sie wiederum verstärkt als hörbaren Ton an die Luft abgibt.

„Jede Mangelhaftigkeit des Steges spiegelt sich im Ton und Klang des Instrumentes wider!“ Hans Andrees Carstensen hält ein Teil mit der Inschrift „Heinrich Held, Schleswig, 1952“ hoch. „Hier hat sich ein Klavierbauerkollege verewigt“, sagt er. „Das lasse ich natürlich so.“ In einem nächsten Schritt werden nun die neuen Saiten aufgezogen. Dann folgt die Überarbeitung der Mechanik und die Restauration der Klaviatur. Die Klaviatur befindet sich an einem anderen Arbeitsplatz. Die stark beanspruchten Tastenbeläge werden wieder befestigt, geschliffen und auf Hochglanz gebracht, auf gleichmäßige Höhe eingestellt. Die in diesem Instrument vorhandene „Blüthner Patent Mechanik“ ist eine Besonderheit. Sie ermöglicht dem Spieler ein sehr direktes Spielgefühl und hat viel zu dem weltbekannten weichen Blüthner Klang beigetragen. Die Steighöhe, die Auslösung und das Abfangen der Hämmer sowie der Abhebezeitpunkt der Dämpfer werden kontrolliert und neu einreguliert.

DIE RESTAURIERUNG IST IHM EINE HERZENSANGELEGENHEIT

„Die alten abgenutzten Hammerkopffilze werden gegen neue Spezialangefertigte Hammerköpfe ausgetauscht. Wenn dann das Spielwerk optimal Funktioniert, wird zum Schluss durch das genaue Abstimmen der Festigkeit und Elastizität in den Hammerkopffilzen der Klang in Bezug auf Brillanz und Wärme optimiert, um für alle Töne des Instrumentes einen gleichmäßigen und ausgewogenen Klangcharakter zu erreichen. Nach dem Anschlag fällt der Hammerkopf in den so genannten Fänger. „Jedes einzelne Teil ist wichtig“ betont Hans Andrees Carstensen, der hier die Lederauflage erneuern will. Die Restaurierung ist ihm eine Herzensangelegenheit, ein Highlight.

Der Emmelsbüller kann sich in der Ruhe der ländlichen Abgeschiedenheit voll auf seine Arbeit konzentrieren. „Jeder Schritt der Restaurierung ist mir genau vertraut“, so Hans Andrees Carstensen. Er kann jungen Leuten nur empfehlen, einen handwerklichen Beruf zu ergreifen. Gerade in der Coronazeit, hat das Klavier wieder an Zulauf gewonnen „.Ich habe ein wunderschönes, toll restauriertes Klavier von Hans bekommen, auf dem ich seit mehreren Jahren sehr gerne spiele, weil es für mich perfekt ist. Hans kommt auch immer wieder zum Stimmen vorbei und schaut, ob alles in Ordnung ist. Auch als es nach dem Einzug bei uns ganz schlimm verstimmt war, weil die Luft zu trocken war, hat er sich ganz schnell gekümmert und mir geholfen“, schreibt eine zufriedene Kundin aus dem Flensburger Raum. Die Freude am Gespräch, der Kontakt zu den Menschen ist ein weiteres Pfund in seinem Beruf, den er immer wieder wählen würde. Arndt Prenzel