„Wir Wir müssen mehr trommeln!"

Björn Geertz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer

FOTO: HANDWERKSKAMMER

Das Handwerk im Norden und Westen Schleswig-Holstein hat seit dem 1. Januar 2022 einen neuen Kammer-Chef. Björn Geertz ist seit dem Jahreswechsel Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, zu dessen Bezirk rund 10.900 Betriebe mit rund 66.000 Handwerkern in den Kreisen Schleswig-Flensburg, Nordfriesland, Rendsburg-Eckernförde und Dithmarschen sowie der Stadt Flensburg gehören. Die Vollversammlung der Handwerkskammer in Flensburg hatte den 45-jährigen Diplom-Kaufmann bereits im Mai2021 einstimmig gewählt.

„Unser Handwerk"-Redakteur Arndt Prenzel hat ihn zum Interview gebeten.

Was beschäftigt den neuen Mann an der Spitze der Handwerkskammer?

Björn Geertz: Das Thema Nr. 1 ist sicherlich der Fachkräftemangel. Jeder kennt es, wenn er einen Handwerksbetrieb benötigt. Die Firmen suchen dringend nach qualifiziertem Personal, woraus sich längere Wartezeiten entwickeln können. Viele Betriebe sehen im Fachkräftemangel bereits die größte Gefahr für ihre weitere Geschäftsentwicklung. Und die Herausforderung wächst: Mit dem demographischen Wandel wird es in Zukunft noch schwieriger, offene Stellen mit geeigneten Fachkräften zu besetzen

Was kann man dagegen tun?

Sicherlich müssen wir noch mehr trommeln. Wir müssen zeigen, wie modern und attraktiv unsere Berufe sind. Leider wissen zu wenige Schülerinnen und Schüler, wie digital und komplex das Handwerk heute schon arbeitet. Die Berufsorientierung an Schulen und die Möglichkeit, über Praktika sich selbst im Handwerk und den verschiedenen Berufen ausprobieren zu können, müssen verbessert werden.

Zu viele Schüler machen Abitur, sind dann aber im Studium unglücklich. Was würden Sie ihnen raten?

Viele junge Menschen wollen studieren. Sie gehen aber häufig auch nur deshalb weiter zur Schule, weil die Berufsorientierungsmöglichkeiten fehlen. Und weil mittlerweile nahezu alle Schultypen eine gymnasiale Oberstufe anbieten, ist Abitur bereits der häufigste Schulabschluss.

Bloß viele dieser jungen Menschen haben keine konkrete Vorstellung davon, was sie erwartet. Das erklärt auch die vergleichsweise hohe Abbrecherquote. Einige von denen verliert man leider komplett für eine Ausbildung, andere beginnen erst im Nachgang eine berufliche Ausbildụng.

Wir als Handwerk müssen die guten Perspektiven, Aufstiegschancen und Verdienstmöglichkeiten des Handwerks kommunizieren. Und Handwerk bedeutet auch Teamarbeit, Kundenkontakt und nicht zuletzt auch Stolz auf die sichtbare Arbeitsleistung - alles Dinge, die in vielen anderen Berufen nicht geboten werden können.

Alle reden vom Fortschritt: Wieweit ist der digitaler Prozess im Handwerk?

Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim Handwerk um einen modernen Wirtschaftsbereich, der auch schnell neue Entwicklungen aufgreift. Dazu zählt auch die Digitalisierung. Es gibt mittlerweile viele Betriebe im Handwerk, die die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen wissen. Sie setzen sie ein im Bereich der betrieblichen Prozesse, der internen Kommunikation und natürlich auch gegenüber den Kunden.

Wie steht es mit der ,,Work-Life-Balance"?

Auch da sind die Betriebe mittlerweile dabei, flexible Lösungen für ihre Mitarbeiter zu finden. So gibt es Betriebe, die freie Tage für private Dinge einräumen oder gleich eine Vier-Tage-Woche anbieten. Work-Life Balance ist ein sehr individuelles Thema, das sich auch mit dem Handwerk vereinen lässt.

Wie viel Balance benötigt wird, was dafür erforderlich ist und was nicht, hängt jedoch immer von der Einzelperson ab. Niemand wird ständig Arbeit und Privatleben gleichermaßen im Einklang haben. Es gehört auch dazu, mit diesen Schwankungen umzugehen. Dennoch ist es wichtig auch als Betrieb die Work-Life-Balance mitzudenken. Das macht einen Betrieb als Arbeitgeber auch in der Außenwirkung attraktiv.

Welche Berufe sind im Trend?

Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Wir haben natürlich beispielsweise sehr viel mehr Kfz-Betriebe als Zahntechniker- oder Keramiker-Betriebe. Das spiegelt sich auch in der Anzahl der Lehrlinge wider. Daraus kann man aber weder automatisch eine besondere Beliebtheit oder auch nur einen Trend ableiten. Es zeigt vielmehr die breite Streuung des Angebots im Handwerk, das allen Talenten gerecht wird - von technisch anspruchsvollen bis hin zu kreativen Berufen. Und es ist momentan auch so, dass alle Handwerksbranchen händeringend nach Lehrlingen suchen. Dies gilt natürlich insbesondere auch für Berufe, die für die Realisierung der Energiewende besonders wichtig sind.

An welche Berufe denken Sie da im Speziellen?

Die klima- und umweltpolitischen Ziele sind sehr ambitioniert. Wer versucht die Frage zu beantworten, wie man dort am besten hingelangt und wer helfen könnte, landet ziemlich schnell beim Handwerk. Als Beispiel kann man da sicherlich Branchen wie Elektro und Sanitär-Heizung-Klima erwähnen, die maßgeblich schon jetzt bei den Themen Photovoltaik, Wärmepumpen und vielen anderen Dingen mehr im Bereich der Energieeinsparung im Einsatz sind.


„Ohne das Handwerk wird es eine Energiewende nicht geben können." 


BJÖRN GEERTZ, HANDWERKSKAMMER


Und damit tragen diese Berufe schon jetzt dazu bei, dass wir ein Stück des Weges hin zu den propagierten Zielen gegangen sind. Um aber diese Ziele wirklich erreichen zu können, ist es natürlich auch eine der Forderungen des Handwerks an die Politik, die duale Berufsausbildung stärker als bisher zu unterstützen, zu fördern und sich auch öffentlich stark für sie zu machen. Das ist dringend geboten, um die ausgegebenen Ziele zu erreichen. Und ohne das Handwerk - und das ist meine feste Meinung wird es eine Energiewende nicht geben können.