Reißfeste Leidenschaft

In Sachen Leder macht man der Lederhexe so schnell nichts vor. Ob Reparatur oder ein neues Lieblingsstück, mit dicker Nadel und festem Faden hält Rosi altes Handwerk am Leben.

Eine dauerhafte Partnerschaft: Rosi Ehrenberger, ihre Nähmaschine von Adler und natürliche Lederwaren. FOTOS: SILKE KURTZ

In aller Ruhe kontrolliert Rosi Ehrenberger das Leder der vor ihr liegenden Hose, greift in den offenstehenden Bund und sucht das auf der Naht verlaufende Loch im Innenfutter. Das gute Stück zeigt sichtbare Gebrauchsspuren. ,,Lederwaren darf man ihren Gebrauch ansehen und sie bleiben dennoch zeitlos schön auf ihre charakterstarke Art", die Lederhexe, wie sich die in der Deezbüllerstraße ansässige Schneiderin, Schusterin, Kürschnerin und ein Teil auch Sattlerin nennt, lächelt. Irgendwie habe ich von allen eben genannten Handwerksberufen alles in mir vereint." Für das, was Rosi täglich arbeitet, gibt es keine genaue Berufsbezeichnung.

In ihren Räumlichkeiten riecht es nach Leder, ein dezenter Duft natürlicher Pflegeprodukte legt sich darunter. Mit ihrer Kunst und dem gebotenen Service, ist die Niebüllerin deutschlandweit mittlerweile einzigartig geworden. „Wir sind leider ein sich rück entwickelnder Berufszweig", weiß sie zu berichten. Stangenware und industrielle Bekleidungsproduktion hat dem Schneiderhandwerk in den vergangenen Jahrzehnten zugesetzt. Aber Rosi Ehrenberger liebt ihre Berufung. Und genau aus diesem Grund hat die passionierte Herrenschneiderin ihren Stellenwert, nicht nur Schleswig-Holstein weit: Denn Individualität, Verbindlichkeit und eingehende Beratung sind ihre Aushängeschilder. ,,Lederwaren halten bei guter Pflege ein Leben lang", weiß Rosi. „Und wer zu mir kommt, sich ein Kleidungsstück oder Accessoire anfertigen lässt, der schätzt auch dessen Wert."

Der Liebe wegen ist sie damals von München nach Sylt gekommen und hat dort ihre Fähigkeiten im Bereich der Lederschneiderei entwickelt. ,,Meine Leidenschaft für dieses Naturprodukt habe ich tatsächlich im Reitstall entdeckt.

Ich liebe Leder, welches auch danach riecht. Da ist mir die Farbe auch egal.“ Ihre verwendeten Häute sucht Rosi sehr sorgfältig aus und scheut dafür keine Mühen. Am häufigsten wird Rindsleder verarbeitet. Aber auch Kalbsleder ist aufgrund seiner Eigenschaften sehr beliebt.

,,Demnächst fahre ich wieder in den Süden Deutschlands, da eine Schneiderin dort ihren Betrieb einstellt und ich den Lagerbestand übernehmen darf.“

Vielen mag nicht bekannt sein, dass Lübeck der Geschäftssitz der Landesinnung des Mode schaffenden Handwerk Schleswig-Holsteins ist. Hier werden die Interessen derartiger künstlerisch tätigen Unternehmen wie das der Lederhexe gebündelt und nach außen vertreten. Aufgrund der Tatsache, dass dieses großartige Handwerk leider immer weniger Nachwuchs hervorbringt, gibt es nur noch eine Landesinnung im Norden, in der die Betriebe organisiert sind. Aber Rosi schaut optimistisch in die Zukunft und bietet sehr gerne Praktika an, in denen sich junge Menschen einen Überblick verschaffen können, wie kreativ das Schneidern von Lederprodukten ist. Aber auch kleine Reparaturen wie Nähte an Gürteln, Taschen oder Portemonnaies vorzunehmen, gehört zum Alltagsgeschäft. „Ich nehme mir sehr bewusst Zeit für meine Kunden. Das passende Leder für jeden Anlass und Gebrauch zu suchen, die richtige Qualität und ganz wichtig auch die Farbe", resümiert die leidenschaftliche Motorradfahrerin. Alles im Sinne glücklicher Kunden die nicht selten aus der Motorradszene kommen. Denn wenn die Sonne lacht, das Thermometer langsam wärme Temperaturen anzeigt, wird die Nähmaschine nach Feierabend schnell gegen die Harley eingetauscht. ,,Ihr Motor rattert noch schöner als meine Adler-Ledernähmaschine. Die hat richtig Wumms“, lacht Rosi und verschließt das Loch im Innenfutter der Lederjeans mit gekonntem Stich. Silke Kurtz