Wirtschaftsminister Madsen von Schleswig-Holstein: „Handwerk bedeutet für mich mitmachen und anpacken”

Als ehemaliger Rostocker Oberbürgermeister spricht er über Wirtschaftsmacht zwischen Ost- und Nordsee, das Handwerk und über das Thema Recruiting

FOTO: FRANK PETER

Ein Jahr als Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein ist für den ehemaligen Rostocker Oberbürgermeister vergangen. Es gilt Bilanz zu ziehen.

Insbesondere für das Handwerk im Land zwischen den Meeren. Denn Schleswig-Holstein, insbesondere die Küstenregionen, leben neben Unternehmenssparten wie Gastronomie und Tourismus, zum Großteil vom Handwerk. Welche Eindrücke konnte Wirtschaftsminister Madsen in den ersten Monaten seiner Amtszeit gewinnen, wo sieht er die Stärken der Wirtschaftsmacht von nebenan und welche Veränderungen stehen der Branche ins Haus?

Handwerk. Der Begriff alleine bringt viel Gesprächsstoff in Diskussionsrunden und Meinungen auf den Tisch. Welchen Stellenwert hat die Wirtschaftsmacht von nebenan für die Region zwischen Ost- und Nordsee? 

Etwa 99 % aller in Schleswig-Holstein ansässigen Unternehmen sind kleine und mittlere Betriebe. Dazu gehören natürlich auch viele Handwerksbetriebe. Das Handwerk bildet eine wichtige Säule unserer heimischen Wirtschaft und ist auch oder besonders in Krisenzeiten eine wichtige Stütze der Gesellschaft.

Und für Sie persönlich?

Ich habe schon öfter gesagt, dass ich, als ehemaliger Geschäftsführer eines Möbelhauses, es schaffe, ein Regal aufzubauen. Wenn es aber darüber hinaus geht, bin ich froh, dass es Handwerker:innen gibt, die ich dann mit dieser Aufgabe betrauen kann (die alles, was ein Heimwerker selbst nicht leisten kann, mit Fachwissen, Sorgfalt und Qualitätsbewusstsein übernehmen). Dementsprechend habe ich größten Respekt vor den Fähigkeiten unserer Handwerksbetriebe, Meistern und Gesellen. Als Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, besuche ich an jeweils zwei Tagen im Jahr Handwerksbetriebe und kann den Fachkräften über die Schulter schauen. Mich beeindruckt, ebenso wie die Arbeitsergebnisse, das Engagement und die Motivation in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Selbst inmitten der Energiekrise, Rohstoffmangel und einer steigenden Inflation, war die Einstellung der Handwerksbetriebe positiv und das Engagement ungebrochen. Diese Krisen haben einmal mehr gezeigt, dass das Handwerk eine starke Basis der Wirtschaft in Schleswig-Holstein ist. Handwerk bedeutet für mich mitmachen und anpacken.

Bei Ihren Besuchen innerhalb der Kammerbezirke haben Sie diverse Betriebe kennenlernen dürfen. Welches Handwerk spricht Sie persönlich besonders an? 

Da das Handwerk so viele spannende Gewerke in sich trägt und ich ja auch erst seit knapp einem Jahr Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein bin, werden Sie mir nachsehen, dass ich keinen Favoriten benennen kann. Was mich dennoch sehr fasziniert hat, war der Besuch zweier Bootsbau-Betriebe im Land. Die Atmosphäre, der Geruch von bearbeitetem Holz und der Enthusiasmus, mit dem die Mitarbeiter dort zu Werke gingen, sind mir in sehr positiver Erinnerung geblieben.

In aller Munde ist das Thema Recruiting, Fachkräftemangel und natürlich Unternehmensnachfolge. Es ist kein Geheimnis, dass eine akademische Laufbahn scheinbar immer noch attraktiver erscheint, als eine handwerkliche. Wie lässt sich die Reputation dieser elementaren Branche verbessern?

Diese Themen sind natürlich nicht erst kurzfristig aufgetretene Phänomene, sondern begleiten Unternehmer und Politik schon viele Jahre. Dennoch erleben wir derzeit eine Ausprägung, in bisher ungekanntem Ausmaß. Die demografisch bedingten Auswirkungen werden zunehmend schmerzlich spürbar. Es müssen Wege gefunden werden, auch handwerkliche Berufe wieder positiv in das Bewusstsein von Schülern und Eltern zu bringen. Die Karrierechancen in handwerklichen Berufen war nie größer als heute. Dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabemüssen sich Politik, Kammern, Verbände und Schulen gemeinsam stellen. Wenn es uns gelingt, das Handwerk nicht als Selbstverständlichkeit in unserem Alltag untergehen zu lassen, sondern als Bereicherung und notwendigen Bestandteil herauszuheben, dann bin ich überzeugt, dass wir eine gute Chance haben. Wenn es uns gelingt, die handwerkliche Berufsausbildung wieder als das hervorzuheben was sie ist, nämlich eine spannende, vielseitige und vor allem zukunftsorientierte Grundlage für den beruflichen Lebensweg junger Menschen, werden wir gute Chancen haben, dem Fachkräftemangel gestärkt zu begegnen.

Sicherlich ist es eine Frage der Bildung, ob und wann sich junge Menschen für einen Weg ins Handwerk entscheiden. Wie schwer wiegt die Beeinflussung aus dem Elternhaus Ihrer Meinung nach? 

Mir ist bewusst, dass unsere Kinder im Teenageralter das jetzt ungern hören, aber ich bin der Meinung, dass die Prägung durch das Elternhaus schon auf die spätere Berufswahl Einfluss nimmt. Aus diesem Grund ist es, wie ich bereits erwähnte, elementar wichtig, nicht nur die jungen Menschen, sondern auch die Elterngeneration von der Attraktivität der Handwerksausbildung zu überzeugen. Es muss nicht immer ein Studium sein. Auch das Handwerk bietet gute Aufstiegsmöglichkeiten, die Chance auf eine berufliche Selbstständigkeit und viel Abwechslung.

Mit der Diskussion um Wärmepumpeneinbau und neueste Energieerzeugungsverfahren, haben besonders Sanitär-, Heizung- und Klimatechniker an Sichtbarkeit gewonnen und sind neben Elektrikern eine geforderte Berufsgruppe. Welche Rolle spielen innovative Handwerksberufe in Bezug auf die Energiewende und Klimaverschiebung?

Jeder gut ausgebildete Handwerker und jede gut ausgebildetete Handwerkerin wird unentbehrlich dabei sein, die Energiewende weiter voranzubringen und unser Klima zu schützen. Ohne diese Fachkräfte wird ein Umstieg auf eine nachhaltigere Energieversorgung nicht möglich sein.

Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, kommt man auch hier nicht um den Einfluss des Handwerks herum. Welche Gewerke agieren in Ihrem Sinne nachhaltig? 

Auch in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit hat das Handwerk als regionale Wirtschaftsmacht einen großen Einfluss. Das Handwerk agiert in vielerlei Hinsicht nachhaltig. Zum einen durch die Nutzung nachhaltiger und regionaler Ressourcen, aber auch im Bereich der Denkmalpflege und der Restauration des Kulturerbes. Auch sozialpolitisch setzt das Handwerk durch die zukunftsorientierte berufliche Ausbildung, auf Nachhaltigkeit.

Wird sich vor dem Hintergrund der angespannten Wirtschaftslage die Situation für Handwerksunternehmen in SH verändern? Wie sieht es mit Existenzsicherungskonzepten und Subventionen für Betriebe aus? 

Das Wirtschaftsministerium steht im engen Austausch mit den Kammern und Verbänden im Land und so haben wir fortlaufend ein Stimmungsbild von der Konjunkturlage im Handwerk. Doch auch in einer angespannten Wirtschaftslage, kann das Land nicht laufend mit wechselnden Fördermodellen in den Markt eingreifen. Das ist auch meist gar nicht nötig, die Handwerkskammern bieten im Rahmen ihrer Beratungsabteilungen vielfältige und qualifizierte Unterstützung an, die meistens dazu führt, dass an innerbetrieblichen Stellschrauben gedreht und eine positive Veränderung der betrieblichen Situation herbeigeführt werden kann. Ich empfehle jedem Unternehmer, sich über die Angebote seiner zuständigen Kammer zu informieren.

„Es müssen Wege gefunden werden, auch handwerkliche Berufe wieder positiv in das Bewusstsein von Schülern und Eltern zu bringen.”

CLAUS RUHE MADSEN, WIRTSCHAFTSMINISTER DES LANDES SCHLESWIG-HOLSTEIN

Ist die aktuelle Krise ein Gamechanger für das Handwerk generell, weil der Trend zum Reparieren und Weiterverwenden, Upcycling und Recycling weitergeführt wird? 

Die Handwerkerinnen und Handwerker im Land haben ja generell eine positive Einstellung zur Weiterentwicklung und Einbindung von neuen Ideen. Man muss auch aus einer Krise etwas Positives mitnehmen, wenn ich es jetzt schaffe, meinen Betrieb gut aufzustellen, dann wird es in wirtschaftlichen besseren Zeiten noch viel besser laufen. Als Schirmherr des VR-Förderpreises Handwerk durfte ich im vergangenen Jahr einen Tischlereibetrieb auszeichnen, wo aus gebrauchten Hölzern, neue und einzigartige Möbel entstehen. Und ich denke, dieser Trend wird sich auch in anderen Bereichen vermehrt Einzug halten.

Unternehmen  vor Ort sichern Existenzen. Wie kleiden Sie diese Aussage aus?

Das ist definitiv so, bemerkbar macht sich dies insbesondere in ländlicheren Gebieten. Der Handwerksbetrieb ist dort, Arbeitgeber, Geschäftspartner, handwerklicher ,,Retter", Sponsor des örtlichen Sportvereins und gehört zum „,,Stadtbild" einfach dazu. Außerdem leistet das Handwerk einen wichtigen Beitrag zur Integrationsarbeit von Migrantinnen und Migranten und Geflüchteten. Es gibt viele Erfolgsgeschichten Geflüchteter, denen durch eine Ausbildung im Handwerk eine Zukunftsperspektive gegeben werden konnte.

In dieser Ausgabe „Unser Handwerk" greifen wir das Thema Mobilitätskonzept/Auslandssemester im Handwerk auf. Wie stehen Sie dazu?

Wir haben die Situation, dass die duale Ausbildung von der Attraktivität für junge Menschen immer noch weit hinter der einer akademischen Ausbildung hinterherhinkt. Wir stehen also vor der Aufgabe, die Ausbildung als echte Alternative in den Fokus zu rücken, Karrierechancen aufzeigen und junge Menschen zu motivieren. Die Möglichkeit, in der Handwerksausbildung ein Auslandspraktikum absolvieren zu können, finde ich persönlich großartig.

Noch ein Faktor, der vielen vielleicht gar nicht so bewusst ist: Handwerksbetriebe sind familiär und arbeiten intensiv im Team. Ohne Teamwork geht es nicht. Wie erleben Sie Teamwork?

Wie Sie sicher wissen, bin ich selber Unternehmer gewesen und daher weiß ich genau, wie wichtig ein eingespieltes und gut funktionierendes Team ist, um erfolgreich zu sein. Das ist im Unternehmen ebenso wichtig, wie im Sport. Gemeinsam kann man immer mehr erreichen und das wünsche ich mir auch für unser Handwerk in Schleswig-Holstein.