"Energie ist die neue Währung das neue Gold"

Ole Singelmann, Geschäftsführer des Hagebaumarktes in Husum und Vorsitzender der Interessengemeinschaft Gewerbegebiet Ost e. V. im Gespräch 

„Initiativen dürfen nicht an der Bürokratie scheitern", sagt Ole Singelmann. Foto: Rüdiger Otto

Herr Singelmann, mehr als zweieinhalb Jahre Pandemie und nun auch noch der Krieg in der Ukraine: Welche Auswirkungen hatte und hat das auf das Geschäftsleben im Gewerbegebiet Ost?

Singelmann: Nach zwei Jahren Pandemie waren alle froh, es nun wenigstens halbwegs überstanden zu haben. Der Staat hat uns dabei überwiegend gut unterstützt. Aber dann kam der Ukraine-Krieg, und viele Betriebe begannen unter erneuten Lieferketten-Verzug zu leiden. Um handlungsfähig zu bleiben, haben sich daraufhin viele mit Waren und Rohstoffen eingedeckt. Krieg, Inflation, steigende Energiepreise, Kaufkraft-Zurückhaltung – das waren und sind dicke Bretter. Unsere Unternehmen haben diese schwierige Zeit unterschiedlich genutzt. Einige haben zum Beispiel ihre innerbetrieblichen Abläufe digitalisiert. Aber das löst natürlich nicht alle Probleme. Mitarbeiter trotz Auftrags-Rückgänge zu halten – das hat viele Betriebe belastet und tut es noch immer. Vieles war nicht planbar, und so hoffen wir natürlich, dass sich diese Situation im kommenden Jahr auflösen wird.

Gleichzeitig ist das Gewerbegebiet in den zurückliegenden Jahren stetig gewachsen. Ist das in Zeiten wie diesen nicht ein Widerspruch?

Nein, die Entscheidung, im Gewerbegebiet einen Betrieb zu eröffnen, wird ja nicht von einem Moment zum anderen getroffen. In der Regel geschah das schon vor der Pandemie. Allerdings haben die Pandemie und der Krieg eine Verunsicherung in der Baubranche ausgelöst. Es gab kaum Angebote, aber dafür steigende Finanzierungs- und Baukosten. Die tatsächlichen Auswirkungen von Pandemie und Krieg werden wir wohl erst zeitversetzt zu spüren bekommen.

Nun hat Nordfriesland für viele, die von draußen auf uns schauen, ja bisweilen etwas Exotisches. Zugleich jedoch sind von hier Innovationen ausgegangen, die zukunftsweisend waren und spätestens nach Beginn des Krieges aktueller sind denn je. Ich denke an die Windmesse, das Haus der Zukunftsenergien oder aktuell an GP Joule und das Thema Wasserstoffantriebe. Ist dieses Potenzial schon ausgeschöpft?

Ganz und gar nicht. Energie ist die neue Währung, das neue Gold. Das Thema steht ganz oben auf der Agenda. Und der geplante Atomausstieg befeuert es auf seine Weise. Insgesamt ist das Potenzial auf diesem Gebiet bei weitem nicht ausgeschöpft. Gleiches gilt für die Elektromobilität. Jetzt reden alle über Wasserstoff. Doch ohne entsprechende Förderkulissen wäre das gar nicht möglich. Für die Wirtschaft ist der Einsatz von Wasserstoff noch nicht rentabel, aber immerhin: Das Thema ist in den Köpfen angekommen.

Was könnte das Gewerbegebiet aus Ihrer Sicht auf diesem Gebiet noch gut gebrauchen?

Wünschenswert wäre, Energie-Wertschöpfungsketten zu schaffen – beispielsweise durch ein Rechenzentrum, das mit grünem Strom betrieben würde und die Abwärme ebenfalls genutzt wird. Das lässt sich alles besser im Cluster lösen und könnte, ja würde gewiss weitere Neuansiedlungen nach sich ziehen. Der Wille ist da.

Und entsprechende Initiativen dürfen nicht an Bürokratie und Verwaltung scheitern. Intelligente Lösungen sind gefordert.

Früher - und das ist erfreulicherweise schon lange her - zogen Geschäftsleute aus der Innenstadt und von der sogenannten grünen Wiese nicht immer an einem Strang. Heute bereiten Ihnen wahrscheinlich das Internet und/oder Global Player wie amazon mehr Kopfzerbrechen, oder?

Foto: IGOst
Foto: IGOst

Das war einmal so, ja. Aber das ist vorbei. Inzwischen wird größer gedacht. Und das ist auch richtig so. Durch intelligente Ansiedlungen und gute Verkehrsanbindungen müssen wir Husum insgesamt attraktiver machen – und zwar für Einheimische und Auswärtige gleichermaßen. Ein Beispiel: Es gibt ein Gutachten zum Verkehrsfluss im Gewerbegebiet Ost. Danach ziehen Stoßzeiten beispielsweise bei WerkHus und der Bundeswehr extreme Verkehrslagen nach sich. Für andere Betriebe wirft das die Frage auf: Wie bekomme ich meine Kunden auf den Parkplatz herauf und wie wieder herunter? Dazu gibt es im Gutachten zahlreiche Vorschläge. Und natürlich ist uns klar, dass sich so etwas nicht von heute auf morgen umsetzen lässt. Aber anderswo geht das erheblich schneller – mit oder ohne drei oder vier Kreisverkehre.

Und der Online-Handel?

Na, selbst der hat ja inzwischen Probleme, bekommt die Kaufzurückhaltung ebenso zu spüren wie wir. Wir wollen und werden das Internet nicht zurückdrehen können. Das alles betrifft ja nicht nur den Handel, sondern auch andere Branchen, wie zum Beispiel die Versicherungsbranche. Was wir uns wünschen, ist Chancengleichheit. Immerhin sind wir die Steuerzahler vor Ort und wünschen uns eine gleiche Steuer- und Abgabenlast. Ein zweiter Punkt sind die unterschiedlichen Tarife, nach denen bezahlt wird. Das ist schon wieder ein Vorteil für den Online-Handel. Und das dritte ist: Die Aufgabe eines örtlichen Gewerbetreibenden geht ja über die reine Dienstleistung oder Ware hinaus. Wenn die Tafel ein neues Kühlfahrzeug braucht oder, oder, oder, dann richten sich die Fragen an uns. Da denke ich manchmal: „Habt Ihr auch schon mal bei amazon angefragt?“ Oder: Wann waren Sie das letzte Mal bei mir einkaufen. Von der Ausbildung und der Zusammenarbeit mit den örtlichen Schulen gar nicht zu reden. Es wäre schön, wenn der Endverbraucher seinen Blick da weiter öffnen würde. Arbeitsplätze, Ausbildung, soziale Projekte – da sind vor allem die örtlichen Gewerbetreibenden gefordert. Und bei den Hafentagen werden sie auch keinen einzigen reinen Onlinehändler unter den Sponsoren finden. Da würden wir es schon gut finden, wenn die Einheimischen ihren Umsatz dann auch vor Ort tätigten. Aber da ist ein Umdenken teilweise auch schon erkennbar.

Arbeitsplätze, Ausbildung, soziale Projekte – da sind vor allem die örtlichen Gewerbetreibenden gefordert. Und bei den Hafentagen werden sie auch keinen einzigen reinen Onlinehändler unter den Sponsoren finden. Da würden wir es schon gut finden, wenn die Einheimischen ihren Umsatz dann auch vor Ort tätigten. Aber da ist ein Umdenken teilweise auch schon erkennbar.

Manchmal hat man den Eindruck, als brauche jede noch so kleine Gemeinde ihr eigenes Gewerbegebiet. Ist der Ausbau dieser Areale für ein Mittelzentrum wie Husum ein Problem?

Aus Husumer Sicht ist es zunächst einmal gut, dass wir ein zusammenhängendes Gewerbegebiet haben, das zudem noch gut erreichbar ist. Wir haben ja damals auch sehr darauf gedrängt, dass ein Gewerbegebiet nicht irgendwo zum Beispiel in Rödemis entsteht, sondern verkehrstechnisch so günstig wie möglich angebunden wird. 

Das zahlt sich heute aus. Die Mobilität im ländlichen Raum ist nun einmal groß. Husum hat einen größeren Kaufkraftzufluss als in der Stadt selbst generiert wird. Wir sind auf mobile Endverbraucher angewiesen. Aber muss das überall so sein? Ja, jein. Andererseits ist die Gewerbesteuer die größte Einnahme der Kommunen. Ergo: Gäbe es diese Quellen nicht, würden Einnahmen fehlen. Natürlich muss man sich bisweilen fragen: Brauchen wir auch noch den 20. Discounter – vor allem, wenn wir uns angesichts von Pandemie und Krieg dem Gedanken zuwenden, wieder mehr vor Ort zu produzieren und Verschwendung zu vermeiden.

Natürlich muss man sich bisweilen fragen: Brauchen wir auch noch den 20. Discounter - vor allem, wenn wir uns angesichts von Pandemie und Krieg dem Gedanken zuwenden, wieder mehr vor Ort zu produzieren und Verschwendung zu vermeiden.

Erfahren Sie mit Ihren spezifischen Sorgen auch durch Corona und Krieg genügend Aufmerksamkeit durch die Politik? Oder würden Sie sich da mehr Engagement wünschen? Und wenn ja, worin könnte das bestehen?

Der Staat hat insgesamt gut reagiert, auch wenn man zum Beispiel die Künstler anfangs nicht so auf dem Schirm gehabt hat. Gleichwohl hätten die Auszahlungen einfacher gestaltet werden können – zumal das Finanzministerium ja jeden Betrieb hier kennt. Warum muss die Auszahlung also aufwendig und kompliziert über Dritte, Steuerberater und so weiter, erfolgen. Gleichzeitig haben wir gesehen, dass der Staat diese zusätzliche finanzielle Belastung offenbar gut verkraften konnte. Und das aktuell geschätzte Steueraufkommen lässt den Schluss zu, dass da auch gehörig was zurückfließen wird. Es ist ja nicht so, dass das Geld weg ist. Denken Sie zum Beispiel nur an Biontech. Oft handelte es sich ja um Liquiditätshilfen, um die Betriebe zu stabilisieren und nicht in die Insolvenz gehen zu lassen. Der Krieg in der Ukraine hat natürlich neue Unsicherheiten geschaffen. Wir haben jetzt Ende Dezember, und ich weiß immer noch nicht, wie es im Januar mit dem Strom weitergehen wird. Unser Betrieb hängt an der Mittelspannung. Wir fallen also noch nicht einmal in die Notversorgung, die gilt nur für Niederspannung. Da wünschten wir uns schon eine größere Planungssicherheit. Und ich denke ja manchmal, dass der Staat aufgrund seiner Steuer- und Abgabenpolitik seinerseits ein Preistreiber ist. Ich halte auch nichts davon, wenn Olaf Scholz sagt, wir machen den Doppelwumms und hauen 200 Milliarden Euro in den Markt. Inflation entsteht ja durch zu viel Geld auf dem Markt. Es wäre aus meiner Sicht sinnvoller gewesen, wenn der Staat signalisiert hätte, über einen bestimmten Zeitraum hinweg auf 200 Milliarden Euro zu verzichten, eine Entlastung zu schaffen. Wenn man sich den Strompreis oder Benzinpreis anschaut und sieht, 50 Prozent davon sind irgendwelche Abgaben und Steuern, dann hätte man das Ganze theoretisch auch um 50 Prozent senken und auf entsprechende Steuern und Abgaben verzichten können. Und da gibt es ganz viele Felder.

So hilft die Senkung der Mehrwertsteuer bei Gas dem Endverbraucher, nicht aber den Gewerbetreibenden. Mehrwertsteuer ist für die Unternehmen nur ein durchlaufender Posten. Deshalb gibt es an dieser Stelle für uns keine Entlastung. Da fehlt uns noch die Planungssicherheit. Weiß irgendjemand, wie das mit den Abschlägen funktioniert....? (schüttelt verneinend den Kopf). Das ist dann vielleicht auch typisch deutsch: Einfach wäre ja zu einfach. Aber wenn es am Ende die gleichen Effekte hat wie bei den Corona-Hilfen, dann nehmen wir es ja auch gern in Kauf.

Nun gibt es gerade im Gewerbegebiet jede Menge Handwerksbetriebe – und sie alle suchen händeringend Nachwuchs. Was braucht es aus Ihrer Sicht, um auf diesem Gebiet künftig mehr Planungssicherheit schaffen zu können?

Schwieriges Thema. Allgegenwärtig sind die Suchanzeigen auf den Firmenfahrzeugen – für Mitarbeiter und Auszubildende. Alle Branchen suchen Leute. Das ist aber auch einem anderen Thema geschuldet. So haben die Menschen heute eine andere Einstellung zur Arbeit. Früher stand die Arbeit im Vordergrund. Ich habe Arbeit, Einkommen und kann mir auch mal etwas leisten. Heute konkurriert die Arbeit mit dem Freizeit-Aspekt. Im Gegenzug führt der Wunsch nach Arbeitszeitreduzierungen in vielen Fällen zu Engpässen in den Betrieben. Und dann gibt es da ja auch noch die Alterspyramide. Geburtenstarke Jahrgänge gehen in den Ruhestand. Ein Prozess, den arbeitsmarktpolitische Entscheidungen noch befeuert haben – indem Anreize geschaffen wurden, dass Menschen in Rente quasi unbegrenzt hinzuverdienen dürfen. So suchen sich viele für die Zeit von 62 bis 67, in der sie noch hätten arbeiten müssen, einen Nebenjob. Dadurch entziehe ich dem Markt Arbeitsstunden. Das sind Anreize, die sozial gesehen toll sein mögen, aber volkswirtschaftlich führen sie zu neuen Problemen. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass viele Betriebe künftig mit weniger Personal werden auskommen müssen. Und der vermehrte Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche hat ja auch seine Schattenseite. Ich frage dann immer: Was kommt danach? Eine Drei-Tage- Woche? Wo soll das hinführen? Auf einmal sind Zehn- Stunden-Tage machbar, etwas, was in der Fünf-Tage- Woche als Ausnahme oftmals undenkbar erschien? Statt dieses arbeitsmarktpolitischen Pingpongs wäre aus meiner Sicht eine qualifizierte Zuwanderung wünschenswert. Wir sind ja für Menschen aus anderen Ländern durchaus attraktiv, haben einen hohen Sozialstandard. Doch um den halten zu können, brauchen wir natürlich auch qualifizierte Mitarbeiter. Aber auch die eigenen Ansprüche spielen hier natürlich eine Rolle. Stichwort: Verzicht.

Und was sagen Sie zum Thema Arbeitsverdichtung?

Das ist so ein bisschen die Frage nach Henne oder Ei. Was war zuerst da? Wenn ich über unseren Betrieb nachdenke, werden wir ja irgendwann über die Einführung von Self- Checkout-Kassen nachdenken müssen, weil wir nicht mehr so viele Kräfte haben und diese eher im Verkauf als an der Kasse brauchen werden. Aber da ist auch der Staat gefragt: je weniger Bürokratie, desto mehr Freiraum gibt es in den Betrieben. Wir sind ja nicht dazu da, den Staat mit der Bearbeitung von Bürokratie am Laufen zu halten. Wir sollen Erträge erwirtschaften und Steuern zahlen. Der Staat muss sich zum Beispiel mit der Frage befassen, wie etwa Home- Office umfassend geregelt wird. Das ist für Arbeitgeber schwer zu greifen. Wir sind verpflichtet, die Arbeitszeit zu erfassen. Das sehe ich aber im Home-Office nicht mehr. Soll ich da jetzt eine Überwachung einführen und schauen, wann ein Mitarbeiter online ist? Wenn das denn überhaupt ginge! Das führt zu ganz neuen Fragestellungen. Home-Office in Vollzeit, das wird es aus meiner Sicht nur in wenigen Branchen geben. Für die Flexibilität ist Homeoffice auf jeden Fall eine Option. Aber man sieht eben auch, wie schwierig es ist, Mitarbeiter aus der Verwaltung ins Büro zurückzuholen. Im Grundsatz gilt für alle: Das Endprodukt darf durch Maßnahmen wie das Home-Office nicht schlechter werden.

Wie sieht es bei Ihnen mit den krankheitsbedingten Ausfällen aus?

Glücklicherweise gab es bei uns keine Ballungen, aber es gibt kaum noch einen Mitarbeiter, der nicht von Corona betroffen war. Volkswirtschaftlich ist das natürlich ein Problem für die Unternehmen, weil ja inzwischen auch keine Quarantäne mehr angeordnet wird. Damit wälzt man das Ganze letztlich wieder auf die Unternehmen ab. Jetzt heißt es: Setz' ne Maske auf und geh' zurück in den Betrieb – mit unkalkulierbaren volkswirtschaftlichen Folgen.

Obwohl man damit gutes Geld verdienen kann, scheint das Handwerk für viele junge Leute keine Option zu sein. Woran liegt das?

Ich glaube, dass wir das Tal der Tränen allmählich hinter uns lassen. Wir sehen ja auch, dass es wieder mehr wird. G9 ist gescheitert. Die Zahl der Studienabbrecher ist so hoch wie noch nie. Wir haben in der Bildungspolitik zuletzt viele Irrläufer gehabt. Es können nicht alle studieren und in die Forschung oder sonst wohin gehen. Ich vergleiche es gerne mit Sport oder Vereinen. Wenn junge Menschen nicht bereit sind, sich körperlich auszupowern, wird der Erfolg selten eintreffen. Das wird auch in den Betrieben spürbar werden. Hinzu kommt die unterschiedliche gesellschaftliche Anerkennung von Berufen. Deutschland hat mit dem dualen System allerbeste Ausbildungsvoraussetzungen. Nicht umsonst werden wir dafür von vielen beneidet. Es gibt für jeden Ausbildungsberuf eine Ausbildungsordnung. Was ist bei uns eigentlich kein „ordentlicher“ Beruf? Da eine Wertigkeit reinzubringen halte ich für gefährlich. Im Endeffekt muss ein Auszubildender in seinem Beruf glücklich werden. Wenn das der Fall und er darüber hinaus in seinem Beruf auch noch gut ist, wird er allein schon wegen der demografischen Entwicklung im Handwerk und anderen Branchen Karriere machen können. Und Karriere gibt’s eben nicht nur im warmen Büro. Grundvoraussetzung: Jeder sollte das werden, wozu er Lust hat und nicht das, was die Gesellschaft oder das Elternhaus von ihm wünscht.

Für viele Familienbetriebe bedeutet das im Umkehrschluss, dass sie keine Nachfolger finden. Droht uns da dauerhaft eine Unterversorgung, wo Handwerker doch schon jetzt nur schwer zu bekommen sind?

Die Versorgung mit Handwerkern wird schwierig bleiben. Meine persönliche Einschätzung ist, dass es wahrscheinlich in vielen Handwerksbetrieben zu Zusammenschlüssen kommen wird. Da wird es wohl auch Sharing-Modelle geben. Bei Betriebsaufgaben wird der Arbeitsmarkt die Angestellten im Zweifel absorbieren. Ich glaube nicht, dass es zu einer Unterversorgung kommen wird. Und auch hier spielt das Anspruchsdenken der Verbraucher eine wichtige Rolle. Wir werden das alles abgedeckt bekommen – das ist nur eine Frage der Zeit. So lange wir nicht in die Planwirtschaft gehen und sagen: in einem Jahr... (lacht).

Und nun steht also das Weihnachtsgeschäft vor der Tür. Sehen Sie diesem eher optimistisch entgegen, oder fürchten Sie, dass die Leute ihr Geld wegen steigender Preise und Energiekosten zusammenhalten?

Für den Handel wird das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr schwierig werden. In einzelnen Sortimenten sehen wir bis zu 50 Prozent Einbrüche, vor allem in solchen, wo Energie eine Rolle spielt. Hinzu kommt die allgemeine Kaufzurückhaltung. Wir registrieren so um die 15 Prozent weniger Kunden in den Geschäften. Auch bei den Handwerkern sind die Auftragsbücher nicht mehr so gefüllt.

Können Sie ein Beispiel nennen, wo es solche Einbrüche gibt?

Ein Beispiel aus meiner Branche ist die Weihnachtsbeleuchtung. Das sind wir momentan auf der Hälfte dessen, was wir zuletzt verkauft haben. Sonst ist das immer so: Ach, da gibt's was Neues, Schönes, das hol' ich mir ins Haus. Und der Irrsinn ist: Wir reden hier ja noch nicht mal über nennenswerte Energiekosten. Die Ketten haben LED-Beleuchtung. Da geht es um wenige Cent. Das spielt sich eher in den Köpfen ab. Und dann heißt es: Ach, die Kette aus dem letzten Jahr oder von vor fünf Jahren tut es ja auch...

...obwohl die womöglich viel mehr Energie verbraucht als eine neue...

Ja, genau. Daran sieht man, wie die Stimmung derzeit ist, und dass diese Stimmung nicht unbedingt die Wirklichkeit widerspiegelt. Andererseits ist es in vielen Bereichen aus Gründen der Nachhaltigkeit auch richtig, nicht immer gleich alles wegzuwerfen.

Und wenn wir schon beim Thema Weihnachten sind: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was wäre das?

Mein größter Wunsch wäre natürlich, dass der Krieg in der Ukraine schnell zu Ende ginge, weil wir dann vielleicht zu einer gewissen Normalität zurückkehren können. Ich würde mir wünschen, dass wir wieder sorgenfreier werden. Rüdiger Otto