Die XXL Baustelle

NOK-Oststrecke wird breiter

Die Oststrecke des Nord-Ostsee-Kanals gilt als Nadelöhr. Bis 2030 soll die Wasserstraße auf einer Länge von über zehn Kilometern verbreitert werden. Die Erdmassen, die dafür bewegt werden, sind gewaltig.

Es ist das größte Bauprojekt am Nord-Ostsee-Kanals (NOK): Die für ihre geringe Breite berüchtigte Oststrecke der Wasserstraße wird verbreitert. Seit dem Start im Januar 2020 hat Niels Böge auf der 4,3 Kilometer langen XXL-Baustelle das Sagen. Bis jetzt sieht es so aus, dass der Zeitplan für das Verbreitern eingehalten wird. Die Arbeiten zwischen Großkönigsförde im Westen und Schinkel im Osten bilden den ersten Abschnitt für den Ausbau, der schließlich bis nach Neuwittenbek bei Kiel reichen soll. Damit sich hier künftig auch große Schiffe begegnen können, wird die Sohlbreite von 44 auf mindestens 70 Meter vergrößert. „Ende 2025 soll der erste Bauabschnitt fertig sein“, so Böge.

Damit wäre das Projekt nach Angaben des Baubevollmächtigten für den Ausbau der Ost-Strecke beim Wasserstraßen-Neubauamt Nord-Ostsee-Kanal (WNANOK) im Zeitplan. Dazu trug auch die gute Witterung im Frühjahr 2022 bei. „Anders als 2021 haben wir nicht unter Starkregenfällen gelitten“, so Böge. „2022 war bis jetzt optimal“, sagt er. Insofern gehen einzelne Teilarbeiten jetzt auf die Zielgerade.

Fortschritte beim sogenannten Trockenaushub sind unübersehbar. Denn die alte Böschung des Nordufers wurde weitgehend abgebaggert. Insgesamt 1,2 Millionen Kubikmeter müssen auf dem 4,3-Kilometer-Abschnitt abgetragen werden. Für Zuschauer besonders spektakulär: Von Großkönigsförde wird das abgebaggerte Erdreich mit Transportschiffen nach Flemhude auf der Südseite des NOK gebracht. Schuten heißen diese Schiffe. 800 Kubikmeter Erdreich kann eine Schute transportieren. Drei Fuhren pro Tag sind möglich. Von Flemhude aus sind 200.000 Kubikmeter ab Juni 2021 an die Autobahn 210 gefahren worden, um dort einen 500 Meter langen und zehn Meter hohen Lärmschutzwall aufzuschütten. „Dieser Wall wird jetzt bepflanzt“, so Böge. Zudem wurden 250.000 Kubikmeter auf der Baustelleneinrichtungsfläche Flemhude abgeladen.

Mit dem Ende des Trockenaushubs kann nun auch das neue Nordufer des Kanals gestaltet werden. So wird die neue Böschung angelegt. Dazu werden auf ihr Faschinen gelegt und mit Erde überschüttet. Anschließend kann bepflanzt werden. An der zukünftigen Böschung kam es auch zu einer unliebsamen Überraschung. „In Höhe eines Waldes rutschte das Ufer auf einem 150-Meter-Abschnitt ab“, so Böge. Die Ursache dafür: An der Stelle war früher ein Arm der Eider gewesen. Die Ablagerungen des Flusses machten den Untergrund rutschig.

Der andere Trockenaushub blieb am Nordufer und wurde mit Traktorgespannen auf die nah liegenden Flächen Kippland und Ziegelgrube gebracht. Bereits 750.000 Kubikmeter wurden zur Dauerlagerung dorthin gebracht. „Im Lauf des Jahres werden die Flächen wieder für die Landwirtschaft hergerichtet“, so Böge.

Wo die neue Böschung fertig ist, wird noch in diesem Jahr der Bau eines Wegs am Kanal erfolgen. Ein Novum!

„Den Weg gab es bisher noch nicht. Wir schließen damit eine Verbindungslücke am Nordufer“, so Böge. Was Ausflügler freuen dürfte: Spaziergänger und Radler dürfen den Weg nutzen. Für sie werden in Großkönigsförde und Schinkel Zugänge über Rampen geschaffen. In Großkönigsförde kommt noch ein zweiter Fußweg direkt an den NOK dazu. Bereits jetzt wurde in Großkönigsförde etwas für Ausflügler getan. Es entstand schon ein Besucherparkplatz für 72 Autos und Service-Station für Radler. Und auch eine potenzielle Attraktion wurde in Szene gesetzt. Der auf der einstigen Böschung eingewachsene Scholer-Stein wurde dort ans Ufer gehoben.

Direkt neben der Kreiselzufahrt zum Besucherparkplatz weist der 3,7 Tonnen schwere Findling auf die Leistungen von Nicolaus Scholer (1851 bis 1908) hin. Der Wasserbauinspektor Scholer war für den Kanalbau auf einem 13,7 Kilometer langen Abschnitt zuständig und nach dessen Fertigstellung bis zu seinem Tod 1908 beim Kaiserlichen Kanalamt beschäftigt.

Zahlreiche Traktorgespanne bringen den Trockenaushub zum Verladen auf die Transportschiffe. FOTOS: RAINER KRÜGER

Wenn der Trockenaushub beendet ist, geht es unter der Wasseroberfläche weiter. Nochmals 1,2 Millionen Kubikmeter Nassaushub werden erwartet. Sie kommen aber nicht an Land, sondern in die Ostsee. Gut zehn Kilometer vor Damp werden sie mit Schuten abgeladen. Der Transport, das Ausschütten und die Folgen werden mit Hightech überwacht. „Auch um eventuelle Auswirkungen auf den Badetourismus auszuschließen, wurde ein System von Messsonden entwickelt, dass die Wassertrübung überwacht“, so Böge.

In 2025 soll der erste Abschnitt beendet sein, dann folgt der zweite Bauabschnitt von Landwehr an Quarnbek vorbei bis kurz vor die Levensauer Hochbrücke – am Nord- und am Südufer. Im Zuge dieser Arbeiten erfolgt auch der Neubau der Fähre Landwehr. Dann wird noch wesentlich mehr Masse bewegt – nämlich jeweils 2,3 Millionen Kubikmeter Trockenaushub und auch Nassaushub. 2030 soll auch dieser Abschnitt mit Arbeiten an sechs Kilometer Ufer fertig sein. Das gilt auch für den dritten Bauabschnitt. Denn im Zuge des bevorstehenden Neubaus der Levensauer Hochbrücke soll der NOK auch dort auf einer Strecke von einem Kilometer verbreitert werden.

Wenn die neue Böschung erreicht ist, geht es im Wasser mit dem Nassaushub weiter.

Eine Großbaustelle ist auch eine große Investition. So ist es ebenfalls beim Ausbau der Oststrecke. „Für den ersten Abschnitt sind insgesamt 117 Millionen Euro Bruttoausgaben veranschlagt. Bis jetzt wurden etwa 40 Millionen Euro investiert“, verrät Böge. Warum beim Projekt des Bundes noch nicht einmal die Hälfte der Summe ausgegeben ist? „Richtig kostenintensiv wird der Nassaushub. Deshalb steht der Großteil der Ausgaben noch bevor“ erklärt Böge.

Wegen der Arbeiten ist das Fahrtempo der Schiffe in Höhe des Bauabschnitts derzeit von 13 auf zehn Stundenkilometer reduziert. Durch den Ausbau soll die Passage durch Schleswig-Holstein für große Schiffe aber insgesamt schneller werden. „Die reine Fahrzeit durch den Kanal beträgt rund 7,5 Stunden. Dazu kommen derzeit bis zu zwei Stunden Wartezeit, damit andere Schiffe passieren können. Durch den Ausbau soll diese Zeit wegfallen.

Der Scholer-Stein ist nicht der einzige Felsbrocken, der an der Ausbaustrecke steht. Tonnenweise Steine in Findlingsgröße befanden sich in der abgetragenen Böschung. Mit rund 20.000 Felsen mit mindestens 80 Zentimeter Durchmesser wird Besonderes geplant. „Mit den Steinen sollen neue Lebensräume in der Ostsee geschaffen und künstliche Riffe angelegt werden.“, so Böge. Ein Ort dafür steht schon fest: Die Ostsee vor Waabs. Rainer Krüger