Der Hang zum Ungewöhnlichen

FOTOS: MARCUS DEWANGER

Mit ihrem Sinn für Ästhetik und dem Mut für ungewöhnliche Deko-Objekte hat Ines Tietje mit Ehemann Carsten ihren Traum vom ganz besonderen Wohnen mit hohem Wohlfühlfaktor in ihrem Haus am Fockbeker See wahr gemacht.

Schon beim Gang durch den Vorgarten in Richtung Eingangstür, vorbei an duftendem Lavendel und Rosensträuchern, sind es diese markanten Augen mit dem durchdringenden Blick, die einen sofort in ihren Bann ziehen. Das eindrucksvolle Bild im Wintergarten von Ines und Carsten Tietjes Wohnhaus in Fockbek zeigt das Gesicht einer Frau. Bei näherem Hinsehen sind jedoch keine typischen Pinselstriche, keine richtige Leinwand zu erkennen. Das Kunstwerk besteht aus einem Stück Fell, auf dem die deutsche Malerin Dagmar Ridky diesen markanten Gesichtsausdruck festgehalten hat. 

Es ist eins der liebsten Deko-Elemente von Ines Tietje. Entdeckt hat sie es in einer Galerie auf Mallorca. »Als ich diesen Blick sah, wusste ich sofort: Dieses Bild gehört zu mir. Es war wie ein Stich ins Herz.« Um dieses ganz besondere Stück herum hat die Hausbesitzerin den sechs Meter hohen Wintergarten eingerichtet. Die massive hölzerne Truhe passt sich den Naturtönen des Fellgemäldes an und der handgefertigte Teppich des deutschen Designers Jan Kath greift mit seiner ungewöhnlichen Struktur und Farbgebung die Individualität des Bildes auf. Im Kontrast dazu scheint auf den ersten Blick die gelbe Chaiselongue mit dem darüber hängenden leuchtend orangenen Bild zu stehen. Wenn Ines Tietje allerdings dort Platz nimmt und mit Hündin Molly spielt, kommt es einem so vor, als ob dort nie etwas anderes hinpassen könnte.

„Ich wollte schon immer direkt am Wasser wohnen."

Das Bild der Fellfrau mit den leuchtenden Augen ist eins von vielen Kunstwerken im Haus. Das Ehepaar hat ein Faible für ausdrucksstarke, ungewöhnliche Bilder. Das merken Besucher sofort, wenn sie durch die Räume im Erdgeschoss gehen. Über dem Esstisch hängt ein weiteres Gemälde mit einem durchdringenden Motiv einer Frau, welches Ines Tietje von ihrer Reise in Marrakesch mitgebracht hat. In der Küche hängt ein großes Bild eines mallorquinischen Stiers. Zu den Gemälden gesellen sich weitere Kunstobjekte wie opulente Vasen, eine orientalische Wandlampe und die Figur eines asiatischen Tempelwächters aus dem 18. Jahrhundert, die Ines Tietje in einem Auktionshaus erstanden hat. 

Es gibt in diesem Haus viel zu entdecken, doch das Gefühl sich in einer langatmigen Ausstellung zu befinden, kommt dabei nicht auf. Denn trotz der markanten Kunstwerke herrscht in den Räumen ein gemütliches Wohngefühl. Dafür sorgen zum Beispiel kleine Blumenarrangements, der Kamin, die Kerzenleuchter und die vielen einladenden Sitzmöglichkeiten, wie das cremefarbene Sofa im Wohnzimmer oder der flauschige Sessel im Eingangsbereich. All dies trägt die Handschrift von Ines Tietje, Ehemann Carsten lasse ihr weitestgehend freie Hand. Nur auf die Bar habe er bestanden, sagt sie lachend. Die besticht durch den Ausblick in den weitläufigen Garten.

Vor sechs Jahren zog die Familie mit ihrer Labradorhündin in das 240 Quadratmeter große Haus in Fockbek. Die beiden Töchter sind inzwischen ausgezogen. >>Ich wollte schon immer direkt am Wasser wohnen

NACH DER LEHRE DES FENG SHUI

Von dem Charme, den das Haus heute versprüht, war bei der Besichtigung allerdings nicht viel zu erkennen, erinnert sich Ines Tietje. >>Ich brauchte schon viel Vorstellungskraft, denn es war lange unbewohnt.>Ich hatte schon immer Lust auf etwas Ungewöhnliches«>Meine Eltern hatten dafür weniger Verständnis, doch sie ließen mich machen.

Das Haus ist aber nicht nur in einem sehr individuellen Stil gestaltet. Die Einrichtung folgt auch der Harmonielehre des Feng Shui. Dabei wird jeder Raum in Quadrate unterteilt und jedes der Vierecke steht für ein bestimmtes Element, für Formen und Materialien, erklärt Ines Tietje das Prinzip. Anhand dieses Einrichtungsstils soll das sogenannte Chi ungehindert durch die Wohnräume strömen können, um das persönliche Wohlbefinden zu stärken und ein Gefühl von Schutz und Wärme und zu fördern. Das scheint für die Familie gut zu funktionieren: >>Ich habe noch nie so harmonisch gelebt>Wenn man sich in seinen eigenen vier Wänden richtig geborgen fühlt und auftanken kann, ist das ein ganz großes Stück Lebensqualität.

„Ich habe noch nie so harmonisch gelebt."

Ihre Inspirationen findet Ines Tietje nicht nur in der Lehre des Feng Shui, sondern auch auf ihren regelmäßigen Reisen nach Mallorca und Marokko, in Wohnmagazinen, die sie gern im Flugzeug durchblättert, und in Antiquitätengeschäften der Region. Auch online entdeckt sie immer mal wieder besondere Stücke, die ihren neuen Platz dann in Fockbek finden.

KINDERSCHUTZHAUS ALS HERZENSPROJEKT

Ihrer Leidenschaft des Einrichtens kann Ines Tietje auch in ihrem großen Herzensprojekt nachgehen: Sie baut derzeit ein eigenes Kinderschutzhaus in Beringstedt, einem Ort nahe dem Nord-Ostsee-Kanal. Der Hof Sterneby soll eine traumasensible Einrichtung für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 18 Jahren werden. >>Mein Team und ich möchten ihnen ein sicheres Zuhause und eine Perspektive bieten«, erklärt sie. Das Konzept basiert auf Bewegungs-, Kreativ- und Erlebnispädagogik. So soll Molly auch Hundedame regelmäßiger Gast auf dem Hof sein, sowie die Pferde Gipsy und Bricole. >>Für mich war meine Brustkrebserkrankung vor 15 Jahren ein Wendepunkt. Ich habe beschlossen, dass ich meine Zeit für ein gutes Projekt verwenden und auch anderen Menschen eine besondere Wohlfühl-Umgebung schaffen möchte. Das Kinderschutzhaus ist mir ein ganz persönliches Anliegen. Ich möchte hier Menschen zusammenbringen und Kindern eine Chance bieten<<, erzählt sie. Die Eröffnung ist für den Herbst geplant. JANA WALTHER