Mit der ,,Fredo'' nachts über die Ostsee

Kurs Rendsburg:

Die ,,Fredo" an der Verladepier im Rostocker Seehafen. FOTOS: PEER SCHMIDT-WALTHER

Der einzige Frachter unter Stralsunder Flagge ist gern gesehener Gast im Rendsburger Kreishafen. Die „Fredo" bringt Rapsschrot für ein Futtermittelwerk. Wir haben das Schiff auf seiner Tour begleitet.

Gelb-braune Staubwolken vernebeln die Sicht, ein unheimliches Rauschen liegt in der Luft. Eine frische Brise sorgt für bessere Sicht. Zum Vorschein kommt ein türkisfarbener Steven mit dem weißen Namenszug "Fredo". Hoch oben am Achtermast flattert ein rotes Tuch: die Stralsunder Flagge. Der einzige Frachter aus der Hansestadt Stralsund lädt im Rostocker Seehafen Rapsschrot für ein Futtermittelwerk in Rendsburg.

An Deck und auf dem Lukenrand bewegen sich drei Gestalten: Die Matrosen Willi, Jan und Don von den Philippinen tragen Overalls und sind maskiert. Nicht etwa wegen Corona, nein, schlicht wegen des dichten Rapsstaubes, der einen ungeschützt atemlos machen kann. Die Arbeit geht gut voran. „Das flutscht ja hier wie noch nie! Wenn das so weitergeht, sind wir noch heute Abend Richtung Kiel unterwegs", sagt Kapitän Bernd Blanck: „Dass wir das noch mal erleben dürfen. Sonst dauert's meistens viel länger, manchmal Tage, bis wir laden können".

FAST VOLL BELADEN IN RICHTUNG RENDSBURG

Und tatsächlich: Gegen 18 Uhr zischen die letzten von 1500 Tonnen Viehfutters in die Luke. Kurz danach turnt der Schiffsmakler ins Steuerhaus und breitet einen Stapel Papiere zum Unterschreiben und Stempeln aus. ,,Trotz PC wächst die Papierflut unaufhörlich. Versteht kein Mensch!", sagt Blanck, schüttelt den Kopf und zeigt auf die Aktenordner hinter sich.

Es ist 19 Uhr: Kapitän Blanck startet den 700 PS-MWM-Diesel mit fauchender Druckluft. Beim Kommando ,,Leggo!" klatschen die Achterleinen ins dunkle Hafenwasser, das von den grellen Lichtern des havarierten Kranschiffes ,,Orion" hinter der Fredo" goldfarben gewellt ist. Kurz darauf löst ein Festmacher an Land auch die Vorspring.

Routiniert lässt Kapitän Blanck die Maschine rückwärts laufen bei Ruderlage mittschiffs. „Der dreht jetzt fast von allein", weiß er aus jahrzehntelanger Erfahrung. Zum achteraus liegenden 38.000-Tonner „Irmgard" bleibt noch genügend Luft, bis ,,Fredo" die Kurve kratzt und die Nase in die Warnow steckt. ,,Alles gut betonnt", meint Blanck beim Blick durch die Brückenfenster auf das für einen Laien blinkende rot-grüne ,,Chaos" voraus. Die Abmeldung bei „Warnemünde traffic", der Verkehrsleitzentrale, endet mit dem beiderseitigen Wunsch: ,,Gute Wache!"

,,FREIFAHRER" BENÖTIGEN KEINEN KANALLOTSEN

Über der Ostsee frischt der Wind aus Nordwest auf. „Fredo“ wiegt sich „in den Hüften“, wie man so sagt. Erster Steuermann Marco Heynen kann sich bei diesen schlaffördernden Schiffsbewegungen und dem gleichförmigen Dieselsound noch mal wohlig in seiner Koje umdrehen, bis er gegen 1 Uhr dran ist mit Brückendienst. Marco nimmt direkt Kurs auf Fehmarn. Der Kapitän ist froh, noch ein paar Stunden Ruhe vor sich zu haben, bis er am nächsten Morgen in der Kieler Förde das Ruder übernimmt. Er ist „Freifahrer“ und braucht nach einer bestimmten Anzahl von Passagen samt einer Prüfung keinen Lotsen zu nehmen.

Ohne Verzögerung kann er die Holtenauer Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal ansteuern. „Als die Kanalabgabe 2020/2021 ausgesetzt war", erklärt er, ,,staute sich hier schon mal der Schiffsverkehr. Weil der rund 200 Seemeilen längere Weg via Skagen rund um Dänemark wegen höherem Spritverbrauch wieder teurer ist". Apropos teuer: Das ist auch Schiffsraum. ,,Der ist momentan kaum zu haben", so Blanck, ,,denn die Reeder nehmen nur noch solche Ladung, die auch ordentlich was bringt". Vor gar nicht langer Zeit sei das genau umgekehrt gewesen. „Jetzt sitzen wir mal am längeren Hebel.“ Außerdem sei die Rapsfahrt so etwas wie eine Bank: „Wir sind seit Jahren voll ausgelastet“, bilanziert er, „denn Futtermittel werden immer gebraucht. Dafür gibt's gute Preise."

MIT 8,5 KNOTEN DURCH DEN KANAL

,,Fredo" dampft mit maximal erlaubten 8,5 Knoten in die 98 Kilometer lange künstliche Wasserstraße zwischen Nord- und Ostsee. Es geht zügig voran und „es gibt bis jetzt keinen Stopper“, freut sich Blanck und meint damit die Ausweichstellen bei Gegenverkehr. Der ist nach einem komplizierten System geregelt und richtet sich nach Tiefgang, Länge und Breite sowie gefährlicher Ladung. In der Weiche Groß Nordsee sammeln sich einige Frachter. An der Baustelle der Kanalerweiterung herrscht noch Einbahnverkehr, bis das begradigte Stück irgendwann freigegeben wird. ,,Das dauert noch Jahre", ist Blanck sicher. Peer Schmidt-Walther

INFO

Die MS Fredo" lief 1985 auf der Schiffswerft Hugo Peters in Wewelsfleth vom Stapel. Anfangs firmierte sie unter dem Namen , Premiere" (bis 2002), danach „Montis. Seit dem 1. Mail 2010 trägt der Frachter seinen heutigen Namen. Das Schiff ist 82,45 Meter lang und 11,33 Meter breit. Es kann 1700 Ladetonnen transportieren. Mit einem 700-PS-Motor wird eine Höchstgeschwindigkeit von 10,6 Knoten erreicht. Zur Crew gehören sieben Menschen. Tipp: Die „Fredo" ist darauf eingerichtet, einen Passagier mitzunehmen. Preis inklusive Vollpension: 50 Euro pro Tag. Buchung unter fredo@gmx.info. Die Kapitäne Bernd und Willem Blanck sind unter Tel. 0171 2111839 erreichbar.