Die Königin vom Kanal und ihre Prinzessin

Royals aus Sehestedt

Ein Höhepunkt in der noch jungen Geschichte der Sehestedter Kanalköniginnen: Die erste Amtsträgerin Katrin Naeve (rechts) begrüßte 2017 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (vorne von links) und dessen Frau Elke Büdenbender in Sehestedt. FOTO: HORST BECKER

Prinzessin oder Königin werden. Das ist für Mädchen im Kindergartenalter immer noch ein Traumjob. In Sehestedt geht der Berufswunsch seit 2017 jährlich in Erfüllung. Denn dort wird die Kanalkönigin gewählt.

Die Insignien ihres Amtes zeigt Liesa Schäfer mit Charme, Stolz und Würde. Dazu gehören das Diadem auf den Kopf, das blaue Festkleid und natürlich die Schärpe mit der Aufschrift Kanalkönigin. Die 15-Jährige trägt alles gerne. Denn schließlich repräsentiert sie als Kanalkönigin im Ehrenamt ihre Heimatgemeinde Sehestedt und durch den Titel auch gleich die ganze Region am Nord-Ostsee-Kanal (NOK).

Eine Kanalkönigin gibt es seit 2017. ,,Zur Feier der NOK-Romantika wollten wir den Besuchern 2017 etwas Besonderes bieten", erzählt Bürgermeister Torsten Jürgens-Wichmann. Doch die Wahl einer Kanalkönigin war nicht nur als Festattraktion gedacht. „Wir wollten eine Tradition schaffen, die das Dorf vereinigt", so das politische Gemeindeoberhaupt. Denn wie in Ländern mit echten Monarchien soll auch die Sehestedter Königin als Integrationsfigur wirken. ,,Sehestedt ist durch den Nord-Ostsee-Kanal geteilt. Als Kanalkönigin bin ich fürs ganze Dorf da. Das sorgt für Gemeinschaft", sagt Liesa Schäfer mit Überzeugung. Wenn Nord- und Südteil jeweils ihr eigenes Ding machen würden, fände sie das gar nicht gut.

Diademe und Schärpen tragen sie mit Freude: Kanalkönigin Liesa Schäfer (links) und Kanalprinzessin Emma Daniel repräsentieren gern ihre Heimatgemeinde und die Region am Nord-Ostsee-Kanal. FOTO: RAINER KRÜGER
Diademe und Schärpen tragen sie mit Freude: Kanalkönigin Liesa Schäfer (links) und Kanalprinzessin Emma Daniel repräsentieren gern ihre Heimatgemeinde und die Region am Nord-Ostsee-Kanal. FOTO: RAINER KRÜGER

Als erste Kanalkönigin kam Katrin Naeve 2017 ins Amt. Sie setzte sich damals als 14-Jährige in einer geheimen Publikumswahl bei der NOK-Romantika gegen drei andere Kandidatinnen durch. Während ihrer Regentschaft verlieh sie Dorffesten royalen Glanz und repräsentierte Sehestedt auch 2018 in der Bundeshauptstadt - nämlich im Januar 2018 auf Deutschlands größter Ernährungsmesse, der Grünen Woche in Berlin. Ähnlich war das Programm auch für die 2018 inthronisierte zweite Kanalkönigin Sarah Marie Lienenlüke. 

2019 entschied sich die Gemeinde dann zu einer gravierenden Änderung: Die Königin bekam eine Kanalprinzessin an die Seite. Das Schaffen des kleinen Königshauses hatte einen praktischen und einen psychologischen Grund. „Wir wollten sicher gehen, dass bei Krankheit der Königin eine Vertretung da ist und kein Termin ausfallen muss“, erklärt Jürgens-Wichmann. ,,Ein Vorteil ist auch, dass sich beide Majestäten bei gemeinsamen Auftritten gegenseitig unterstützen können“, führt er an - zum Beispiel im Grüne-Woche-Messe-Trubel in Berlin. „Außerdem ist die Prinzessin die designierte Königin für das nächste Jahr und hat so ein Jahr Ausbildung für die Thronfolge“, erklärt der Bürgermeister. Als erstes Duo waren im Regentschaftsjahr 2019/2020 Sarah Marie Lienenlüke als Königin und Katrin Naeve als Prinzessin unterwegs.

Dann kam Corona. Bei den Lockdowns war ab Frühjahr 2020 wenig Repräsentieren möglich. Deshalb wurde die Regentschaft der beiden Majestäten bis 2021 verlängert. 2021 lief dann alles wieder so, wie es sollte. Sarah Marie Lienenlüke trat ab, Prinzessin Katrin Naeve rückte zur Königin auf und Liesa Schäfer vervollständigte als Prinzessin das Königshaus. Auch in diesem Jahr klappte der Wechsel. 2022/23 sind Königin Liesa Schäfer und Prinzessin Emma Daniel (15) die Royals von Sehestedt.

Bringt das Amt der Kanalkönigin positive Erfahrungen? Liesa Schäfer bejaht das. 

„Wenn ich als Königin durchs Dorf gehe, werde ich auch von Fremden angesprochen. Eine Touristin machte schon mit dem Smartphone ein Selfie mit mir und schickte es als Urlaubsgruß an ihre Enkel. Das war schön."

Gibt es einen Prominenten, den beide als NOK-Repräsentantinnen gerne treffen würden? ,,Ministerpräsident Daniel Günther", sagen sie. Dafür stehen die Chancen nach Einschätzung von Bürgermeister Torsten Jürgens-Wichmann gut. „Nach zwei Jahren Corona-Pause ist für 2023 wieder eine Reise zur Grünen Woche geplant. Auf der Messe haben wir Sehestedter auch schon den Ministerpräsidenten getroffen", sagt er. „Auch ein Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wäre toll", findet Kanalkönigin Liesa Schäfer. Und auch das liegt im Bereich des Möglichen. Denn als Steinmeier 2017 Schleswig-Holstein besuchte, schaute er mit seiner Frau Elke Büdenbender auch in Sehestedt vorbei und sprach mit der damaligen Kanalkönigin Katrin Naeve. „Der Bundespräsident war sehr sympathisch“, erinnert sie sich noch heute an die Begegnung.

Bleibt einer Majestäten materiell etwas von ihrer Amtszeit? ,,Die Kleider für ihre Auftritte kaufen sich die Kanalkönigin und die Prinzessin selbst. Dafür bekommt jede von ihnen von der Gemeinde einen Zuschuss von 130 Euro", berichtet Bürgermeister Torsten Jürgens-Wichmann. Die einzige Bedingung für ein Kleid. Es muss zur Schärpe passen. Die Schärpen sind Eigentum der Gemeinde und werden von einer Amtsträgerin an die andere weitergegeben. Rainer Krüger

INFO

Das Wahlverfahren für die Kanalkönigin

Seit der Einführung 2017 hat sich das Wahlverfahren für die Kanalkönigin weiterentwickelt. Vom geheimenVotum durch ein Festpublikum wurde abgerückt. „Wir wollen, dass mit der Wahl möglich viel Positives verbunden ist. Weil sich nicht gewählte Kandidatinnen als Verliererinnen fühlen könnten, entscheiden jetzt nicht mehr Besucher, sondern die Mitglieder eines besonderen Gremiums", erklärt Bürgermeister Torsten Jürgens-Wichmann. Vier Funktionsträger wählen in geheimer Sitzung unter Bewerberinnen aus. Mitglieder des Gremiums sind der jeweilige Bürgermeister, seine beiden Stellvertreter und der Vorsitzende des Kulturausschusses. Sie entscheiden inzwischen, wer die neue Kanalprinzessin wird - die dann ein Jahr später die Nachfolge der amtierenden Kanalkönigin antritt. Bewerben können sich alle Sehesterdterinnen, die Zeit und Lust haben.