Spagat zwischen Tafel und Kultur

Die frühere Stadtvertreterin Erika Spaude liebt das Ehrenamt.

Erika Spaude ist ein Tausendsassa. Viele Jahre in der Politik engagiert und aktiv als Vorsitzende des Kunstvereins und in der Südtondern Tafel. Foto: Arndt Prenzel

Kunst und Kreativität spielten in ihrem Leben immer eine entscheidende Rolle. Als frühere Stadtvertreterin hat sie die größten Papierberge auf ihrem Schreibtisch inzwischen abgebaut. Ihre Ablage ist perfekt, alles ordentlich weggelegt und beschriftet. „Sonst blicke ich nicht durch“, lacht die Frau aus der Süder Gath. Ordner, Stifte, Telefon, Kopierer und Schneidemaschine sind in Reichweite. „Meinen Kalender führe ich nach wie vor handschriftlich“, sagt die Nordfriesin mit Nachdruck. „Von Punkt 1 bis Punkt 10 wird alles am Tag abgearbeitet.“ Termine, Termine. 

Erika Spaude springt auf, denn sie hat ein genaues Timing in ihrem Ablaufplan. Ein kurzes Telefonat, fertig. Ob Abrechnungen für den Kunstverein, neue Plakate und Einladungen für kommende Ausstellungen, Organisationspläne für die Südtondern Tafel – alles erledigt sie mit Umsicht und Ruhe. 

„Ich bin darauf aus, tolle Kunst nach Niebüll zu bekommen.“

Erika Spaude, Kunstexpertin

Der Blick der Kunstexpertin fällt bei der Büroarbeit auf verschiedene Bilder. Auffällig ist ein Werk des Künstlers Pit Strauss, dem man eigentlich auch mal eine Ausstellung widmen könnte. Das Telefon schrillt, Berlin is calling. Erika Spaude hat enge Kontakte zur Kunstszene in der Hauptstadt. Hier „angelt“ sie sich aufstrebende Newcomer oder noch unentdeckte Talente, die vielversprechend erscheinen. „In’s Richard Haizmann Museum wollen alle“, freut sich die großzügige Gastgeberin, die für ihre Künstler meist ein Bett frei hat. Die dürfen dann auch an ihrem aufgeräumten Schreibtisch Platz nehmen, wenn Bedarf ist. 

Modedesignerin – ihr eigentlicher Berufswunsch – ist Erika Spaude aus Niebüll nicht geworden. Dafür engagiert sich die sympathische, resolute 75-Jährige seit 33 Jahren ehrenamtlich beim Kunstverein Niebüll, dem sie seit dreizehn Jahren vorsteht. Gemeinsam mit ihrem Vorstandsteam organisiert sie zwei Mal jährlich Ausstellungen im Niebüller Richard Haizmann-Museum für Moderne Kunst. Mit einem eisernen Willen, Humor sowie einer Portion Überzeugungskraft gelingt es Erika Spaude immer wieder, namhafte Maler nach Niebüll zu bekommen und damit anspruchsvolle Kunst für Kinder und Jugendliche aus Kitas und Schulen sowie Erwachsene vor Ort erlebbar zu machen. 

Woher kommt das Interesse? „Ich bin bei meiner Großmutter in Stedesand groß geworden, da meine Mutter früh gestorben war.“ Die Oma, Jahrgang 1901, war Putzmacherin, stellte Hüte und Schleier her, schuf als Floristin kleine Kunstwerke auf Friedhöfen. „Von ihr habe ich das Kreative.“ Schon mit sechs Jahren las Erika Spaude Bücher, den „Stern“ oder Filmzeitschriften, besuchte zum ersten Mal eine Tanzschule. „Wenn ich meine Schulkleidung schmutzig gemacht hatte, bekam ich alte Kleidung und Gummistiefel an und durfte zur Strafe nicht in die Tanzstunde. Hingegangen bin ich aber trotzdem“, erinnert sie sich lachend. Mit zehn Jahren malte sie unter der Schulbank für ihre Klassenkameraden („Die Jungs wollten immer Bilder von Frauen im Bikini“), schrieb einen plattdeutschen Einakter, den sie heute noch in der Schublade hat. 

Erika Spaude besuchte den Malkreis bei Herbert Andersen, später bei Hans-Reymund Aurer und Jan Leseberg. „Mein Traum ist ein großes Atelier mit Riesenwänden, wo ich die Farben an die Wand schmeißen kann“, sagt sie lachend. „Die Idee habe ich auch noch nicht verworfen. Ich liebe Monumentalwerke. Wenn ich male, dann so, dass man Struktur erkennen kann.“ Sie hat ein weiteres Talent: Erika Spaude versteht es, Menschen für ihre Sache zu gewinnen. Unermüdlich wirbt sie um Sponsoren und Mitglieder im Kunstverein Niebüll. Letztere Zahl liegt immer noch bei 80. Und: „Ich bin darauf aus, tolle Kunst nach Niebüll zu bekommen.“ Sie durchstöbert Zeitschriften und Zeitungen. „Wir möchten junge Künstler fördern, aber sie müssen auch eine tolle Vita haben.“ Kontakt-Aufnahme per E-Mail gibt es für Erika Spaude nicht. „Ich rufe Künstler und Galerien direkt an, manchmal besuche ich sie auch.“ Wenn es sein muss in Berlin. „Und dann versuche ich, sie zu überzeugen, nach Niebüll zu kommen.“ Mit grandiosem Erfolg. Ihre Aktionen stimmt sie mit dem Kunstverein ab. „Wir sind nicht immer einer Meinung, aber ich bleibe hartnäckig. Wir sind ein toller Vorstand, eine tolle Gemeinschaft und passen sehr gut zusammen.“ 

Erika Spaude liebt Sprachen, und sie lebt das Ehrenamt. Sie engagiert sich aktiv bei der Südtondern Tafel, war 15 Jahre lang als Stadtvertreterin im sozialen Bereich aktiv und wirkt immer noch hinter den Kulissen „hinein in die Kreispolitik“. Sie sagt, was sie denkt, was sie empfindet. Ihr Motto: „Man muss geradeheraus reden, manchmal anecken. Ehrlich zu sein, ist nicht immer diplomatisch und manchmal auch unbequem.“