Alte Spritfabrik als neuer Treffpunkt

Hoher Besuch aus Berlin: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besucht das Ehepaar Engelhard von der Firma „Unleash Future Boats“.

Die Alte Spritfabrik an der St. Jürgener Straße ist in jüngster Zeit der Pandemie zum Trotz zu einem neuen Treffpunkt und gleichzeitig zu einem Ort der Innovation geworden. Nach der Stilllegung im Jahr 2012 hatte der Schleswiger Unternehmer Arne Hansen (Klappschau, Levslund, Klöndeel) das Gebäude samt Maschinen und Grundstück 2015 erworben. Mittlerweile ist dort ein Bündel an Nutzungen und Unternehmen untergebracht. So betreibt im rückwärtigen Teil des Areals der Ingenieur Bela Baumgart eine kleine Werkstatt für CNC-Design und 3D-Druck. Er hat eine Reihe von Plänen für die Zukunft. An einem Ende des parallel zur Straße liegenden Hauptgebäudes residiert das junge Unternehmen „Unleash Future Boats“, das Wasserstoffgetriebene, autonom fahrende Kleinfähren für den Transfer von der Schleswiger Altstadt nach Haithabu und zurück entwickelt.

Kürzlich hatte es hohen Besuch aus Berlin: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schaute sich die junge Firma und den Prototypen an und wünschte dem Unternehmerpaar Engelhard viel Glück.

Im Hauptgebäude residiert auch die Verwaltung des ambulanten Pflegedienstes „Klöndeel“, das zur Unternehmensgruppe von Arne Hansen gehört; die Fahrzeugewerden mit Solarstrom vom Dach des alten Industriegebäudes geladen. Für die nahe Zukunft ist die Ansiedlung eines weitere Start-Ups vorgesehen, dass hier Produkte aus dem Bereich Robotics entwickeln möchte. Auch die Schleswiger Matratzen-Manufaktur Laroma hat hier kürzlich eine Dependance eröffnet.

Herbert Jensen, das Gedächtnis der Alten Spritfabrik, an einer alten Waage.

Nach außen wirkt vor allem das Unternehmen Mocfor, das am nördlichen Ende des lang gestreckten Hauses einen ausladenden, mit großformatigen Gemälden ausgestatteten Showroom für handgefertigte Designer-Möbel eröffnet hat. In der Pandemie, als das Möbelgeschäft zunächst zum Erliegen kam, entwickelte Unternehmer Jens Lohmann mit seinem kleinen Team einen Gin unter dem Label Mocfor und wenig später auch ein Fleischprodukt mit dem Namen Kurrywurst, das nicht nur in einigen Supermärkten zu habe nist, sondern vor allem auch an dem üppigen, gut sichtbaren Imbissstand direkt an der Straße heiß verkauft wird.

Lohmann greift immer wieder auf das überragende Know-how des mittlerweile 80 Jahre alten Herbert Jensen zurück, der hier immer noch ein und aus geht und das Haus sowie seine „Innereien“ wie seine Westentasche kennt. Jensen war hier bis zum Schluss Produktionsleiter der alten Spritfabrik - und hat für Lohmann einen neuen Gin mit Orangenaroma kreiert.

Jens Lohmann, der ein besonderes Faible für schwere Motorräder, aber vor allem für chromblitzende Karossen amerikanischer Herkunft hat, sieht die Alte Spritfabrik nicht zuletzt als Treffpunkt für die gehobene Oldtimer-Szene. „Bunte Runde“ hat er die seit 2021 regelmäßig stattfinden Veranstaltungen genannt, die auch in diesem Jahr an jedem ersten Samstag im Monat stattfinden. Ami-Schlitten, alte Benz-Kutschen und weiteres Blech mit vier Rädern und H-Kennzeichen ist dann hier in großer Stückzahl zu bewundern. Die Besitzer reisenmittlerweile aus allen Teilen Deutschlands hier an und erfreuen sich an der entspannten Atmosphäre und den vielen Gesprächen mit interessierten Besuchern.

Der hintere, von der Straße nicht sichtbare Gebäudetrakt wurde in den beiden letzten Jahren von hochkarätigen Graffiti-Künstlern mit einem riesigen, sich ständig weiter entwickelnden Kunstwerk verziert. Hier ist auch Platz für eine Bühne, auf der Live-Musik bei der Bunten Runde geboten wird – so auch beim Saisonstart am 7. Mai mit den Schleswiger Lokalmatadoren von Murphy“s Law und dem Sänger Friedrich jr.

Kunst gibt es auch im Inneren des Gebäudes, wo der Künstler Dietmar Wagner aus Süderfahrenstedt schon die eine oder andere Ausstellung mit zahlreichen Künstlern - darunter auch solchen aus anderen Ländern - organisiert hat. Von Wagner stammen auch die großen Gemälde im Mocfor-Möbel-Showroom.

Und so kann man nur gespannt sein, was hier, auf diesem früheren Industriegelände, das vor allem die älteren Schleswiger noch als großen Arbeitgeber und überregional bekannten Produktionsstandort kennen, in der nächsten Zukunft noch alles passieren wird. Der Dornröschenschlaf ist jedenfalls längst vorbei. Joachim Pohl