Zeigt her Eure Wände!

Trends spiegeln Bedürfnisse und Sehnsüchte wider. Selbst an den Tapeten zeigt sich das.

Was wir jetzt zu Hause brauchen, sind Gemütlichkeit, Urlaubsgefühle oder ganz große Kunst. Und da stellt sich schon mal eine Frage vorab: Haben Sie noch eine ganze Wand frei, vor der nur wenige Möbel stehen? Die Tapetenhersteller hätten sie gerne: für ein extravagantes Bild. Oder das Motiv eines Dschungels. Das sind zwei der aktuellen Tapeten-Trends. Wir präsentieren einen Überblick und stellen auch dezentere Optionen vor.

KUNST FÜR DIE EINE FAST MÖBELFREIE WAND

Expressive Darstellungen, farbstarke Aquarelle und wirklich große grafische Muster - manche Tapeten könnten auch im Museum hängen. Die Trendanalysten des Deutschen Tapeten-Instituts erwarten, dass diese Stilrichtung insbesondere in der Pandemie anspricht. Wer im Vor-Corona-Leben viel unterwegs war und jetzt hingegen vermehrt zu Hause bleiben muss, der holt sich das besondere Kunsterlebnis eben über solche Tapeten quasi ins Haus.

Trends brauchen immer ein paar Jahre von ihrem ersten Erscheinen hin zu einem Höhepunkt. Daher sind die künstlerischen Tapeten auch nicht ganz neu. „Aber der Unterschied zum vergangenen Jahr ist doch ziemlich drastisch, weil die Motive so farbig und expressiv und knallig geworden sind“, sagt Karsten Brandt, Geschäftsführer des Deutschen Tapeten-Instituts.

„Damit beklebt man wohl nur eine Wand, sonst wird man optisch erschlagen.“ Und zur richtigen Positionierung eines solchen Hinguckers rät der Experte: „Ich würde das Motiv auch nicht verstecken, sondern nur Einzelstücke wie einen schönen Sessel oder die schöne alte Kommode von der Tante davorstellen.“

HEIMISCHE PFLANZENMOTIVE FÜR GANZE RÄUME

Der Gegentrend sind dezentere Pflanzenmotive, oft in zarten Farben. Auch das haben Sie schon mal gesehen und gelesen? Richtig, irgendwie altbekannt, aber trotzdem etwas anders sind die Tapeten mit Blumen und Pflanzen, die 2022 in den Handel kommen. „Einige Motive sind in ihrer Farb- und Motivwirkung stärker denn je“, sagt Brandt. Bei manchen Motiven könnte man denken „das hängt schon lange bei der Oma.“ Ihm und seinem Trendteam ist aber aufgefallen, dass es 2022 heimische Pflanzen an die Wand schaffen. „Regionales ist sowieso im Trend, auch beim Einkaufen und Essen.“ Dazu passe eigentlich jeder Einrichtungsstil, ist der Branchenexperte sicher. Und: Es können größere Möbel davorstehen: Schränke zum Beispiel. „Das ist auch am ehesten jener Tapetenstil, den man sich auf zugleich drei oder gar vier Wänden im Raum vorstellen kann“, meint der Tapetenexperte.

DSCHUNGELBILDER FÜR WÄNDE ALS BLICKFANG

Ebenfalls Pflanzen, aber in ganz anderer Aufmachung und Farbkraft, zeigen die Dschungel-Tapeten. Das ist ein Trend der vergangenen Jahre, der bleibt - aus guten Gründen: „Wenn wir uns die Kollektionen der Hersteller anschauen, dann scheint es auch weiterhin eine große Nachfrage nach solchen Motiven zu geben“, berichtet Brandt. „Und im Unterschied zu den früheren Jahren wurden die Motive noch weiter ausdifferenziert: Man hat noch mehr Pflanzenarten auf den Tapeten.“ Außerdem handelt es sich dabei auch oft um komplette Wandbilder statt nur ein sich wiederholendes Muster auf den Rollen. Denn mittlerweile sind laut Brandt alle Hersteller in der Lage komplette Bilder passend für die jeweiligen Wandmaße eines Kunden zu produzieren. „Und das bietet sich bei diesem Thema auch an.“

Auch diese exotischen Motive sind etwas zum Vorzeigen, wo davorstehende Möbel eher Beiwerk sind. „Ich würde hiermit wahrscheinlich auch nur eine Wand tapezieren, weil die Motive so ausdrucksstark sind“, sagt Brandt.

PASSENDES FÜR DEZENTES, ABER SCHICKES INTERIEUR

Wiederum eine auf den ersten Blick unauffällige, aber beim genauen Hinschauen ebenfalls exklusive Wand-Mode überschreibt das Tapeten-Institut mit „Natürlicher Luxus“. Dahinter stecken Tapeten, die wie Handarbeiten wirken: gestrickt, gewebt, getupft. Teils sind sie das sogar, teils wirkt der Druck nur so. Diese Tapeten sprechen für Brandt tendenziell eine ältere Zielgruppe an, die einen ganzen Raum oder gar die ganze Wohnung noch mal einer Renovierung unterziehen und ihre edlen Teppiche und Möbel mit dazu passenden Wänden begleiten wollen. „Hier muss alles zueinander passen. Um ein Beispiel zu nennen: Die Stühle tragen das Wiener Geflecht - dann soll die Wand das auch zeigen“, sagt der Tapetenexperte. Auch hier will die Zielgruppe es sich zu Hause richtig gemütlich und schön machen. Dazu gehöre eine Einrichtung mit „viel Holz und schlichten Formen -alles eher dezent“, sagt Brandt. „Dazu passt weniger ein ganz bunter Stoff auf dem Sofa.“ // Simone Andrea Mayer, dpa