Berührungsängste abbauen

WerkHus: Die Husumer Werkstätten für Menschen mit Behinderungen

Gruppenbild aller Sportlerinnen und Sportler sowie ihrer Betreuerinnen und Betreuer am Rande der Nationalen Spiele in Berlin. Links Britta Cornehl-Nicol, ganz rechts Doreen Richter.

Eine alte Grundregel besagt, dass sich gute Pädagogen im Idealfall überflüssig machen. Ganz so weit können Sportlehrerin Britta Cornehl-Nicol und Ergotherapeutin Doreen Richter bei ihrer Arbeit nicht gehen. Aber dafür leisten sie einen wichtigen aktiven Beitrag zu dem, was etwas wolkig als Inklusion bezeichnet wird.

Edelmetall gab es für die Schwimmerinnen von WerkHus bei den Landesspielen in Kiel. Die 4x50-Meter-Staffel sicherte sich die Goldmedaille. Fotos: WerkHus
Edelmetall gab es für die Schwimmerinnen von WerkHus bei den Landesspielen in Kiel. Die 4x50-Meter-Staffel sicherte sich die Goldmedaille. Fotos: WerkHus

,,Inklusion heißt schlicht Teilhabe", erklärt Britta Cornehl-Nicol, die diesen Prozess in den Husumer Werkstätten für Menschen mit Behinderungen - inzwischen WerkHus genannt - von Beginn an begleitet hat. ,,Damals, in den 1980er Jahren, stellten Einrichtungen wie unsere zahlreiche Sportlehrer ein, die Menschen mit Behinderungen über die Arbeit in den Werkstätten hinaus Bewegungsangebote machen sollten“, berichtet die Pionierin des Behindertensports in Husum. Schon kurze Zeit später gab es zwischen den Sportlern der Einrichtungen erste Wettkämpfe und Turniere.

Viele Menschen mit Behinderung trauten sich nicht, einem Verein beizutreten, berichtet Doreen Richter. Insofern waren und sind solche Angebote für die Betroffenen doppelt wichtig, denn Sport gleich welcher Art trägt zur Stärkung des Selbstbewusstseins und auf längere Sicht damit auch zur Inklusion bei.

Gleichwohl stieß die Initiative nicht bei allen und überall auf Gegenliebe. Manche lieb gewonnenen Abläufe gerieten durcheinander, mussten neu geordnet werden, erinnert sich die Sportlehrerin. ,,Aber das ist Vergangenheit." Heute profitieren Mitarbeiter und Beschäftigte von WerkHus im doppelten Wortsinn von diesem etwas anderen Betriebssport.

Auch Vereine und Verbände zogen nach, entdeckten das Potenzial der Werkstatt-Initiative. So wie die Arche in Hattstedt rief auch der Ohrstedter Handballverein eine inklusive Sportgruppe ins Leben. Und die Bundeswehr organisiert einmal jährlich ein Sportfest für WerkHus. Das alles trug - ganz nebenher - dazu bei, „Berührungsängste abzubauen“. 

Nicht nur das jährliche Spiel- und Spaß-Fest in der Sporthalle beweist, wie sehr sich die Angebotspalette seit den 1980er Jahren verändert und erweitert hat. So gibt es inzwischen auch Wald- und Wattwandertage. Was gefällt, wird gemacht und kommt offenbar an. Summa summarum gibt es von Montag bis Freitag täglich vier bis acht Angebote, an denen wöchentlich rund 200 Teilnehmer mitwirken. 

Das Angebot ist breit gefächert und reicht von Hockergymnastik über Tanzen, gemischte Sportgruppen, Yoga, Radsport und Leichtathletik bis hin zu diversen Aqua-Kursen. Grundsätzlich gilt: So viel wie möglich, so individuell wie möglich.

Welche Früchte das sportliche Engagement trägt, zeigt sich mittlerweile auch auf nationaler und internationaler Ebene. So reisten im Sommer zahlreiche Sportlerinnen und Sportler von WerkHus nach Berlin, um bei den Nationalen Spielen mitzumachen.

Zahlreiche beachtliche Erfolge

Ein Gänsehaut-Erlebnis, das noch dazu von zahlreichen beachtlichen Erfolgen - unter anderem beim Radfahren und Schwimmen - gekrönt wurde. Insgesamt brachte die 17-köpfige Mannschaft von WerkHus, begleitet von sechs nicht minder begeisterten Betreuerinnen und Betreuern, sieben Gold-, zwölf Silber- und fünf Bronzemedaillen mit nach Hause. Herausragend die Leistungen von Jan Kampmann und Stephan Schumann beim 1500-Meter-Lauf. Beide errangen eine Goldmedaille und sicherten sich im Gesamtklassement die Plätze drei und sechs. Ein Weihnachtsgeschenk mitten im Sommer und Ansporn, auch bei den Weltspielen im kommenden Jahr wieder da zu sein. Ein Leitmotiv machte in Berlin, aber auch daheim immer wieder die Runde: „Zusammen sind wir unschlagbar“. Und damit waren nicht nur die sportlichen Erfolge gemeint, denn Zusammenhalt ist heute auch auf anderen Ebenen wichtiger denn je. Rüdiger Otto