Shakespeare auf Platt:

Peter Nissen weiß, wie das geht

Platt geiht immer: Und hinterher wird noch ein wenig geschnackt. Fotos: Arndt Prenzel

Peter Nissen gehört zur Garde der Bewahrer der mittlerweile fast exotischen Sprache Plattdeutsch. Alles Tünkram oder Dummtüch? Ist Platt überhaupt eine eigene Sprache?

„Ackerschnacker” als Synonym für das Handy

Was für eine Frage: Plattdeutsch ist in der Tat kein Dialekt wie Bayerisch oder Hessisch, sondern eine eigene Sprache. Sie wurde 1999 in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen aufgenommen. Und sie erneuert sich immer von selbst! Man denke nur an das geniale Wort ,,Ackerschnacker" als Synonym für das Handy.

Der Dramaturg, Übersetzer und Journalist stammt aus Bordelum und hat Romane um Harry Potter und mehrere Asterix-Bände ins Platt übertragen. Zusammen mit dem unlängst verstorbenen Hartmut Cyriacks ist er Autor plattdeutscher Wörterbücher und schrieb 80 Folgen der der Radio-Bremen-Hörspielreihe Kastendiek & Bischoff. Außerdem zeichnet Nissen mit Cyriacks für die plattdeutschen Drehbücher der NDR-Kultserie ,,Neues aus Büttenwarder" verantwortlich.

Peter Nissen hatte einst beim Hamburger Ohnsorg-Theater die schwierige Aufgabe übernommen, Shakespeares Sommernachtstraum zu übersetzen. „Gar nicht so einfach“, sagt er. „Denn das ursprüngliche Shakespeare-Englisch ist durch Übersetzungen in der Romantik komplett verfälscht worden."

Zu Besuch in der Nordseeakademie: Peter Nissen.
Zu Besuch in der Nordseeakademie: Peter Nissen.

Doch zunächst erläutert der Nordfriese, wie programmierte Übersetzungsmaschinen im Internet Fehlleistungen produzieren und somit wenig hilfreich sind. So sei das Wort ,,abdecken“ doppeldeutig und auch durch ein jahreszeitlich bedingtes Wort wie ,,Beete abdecken" samt Beiwort ,,Herbst“ Google immer noch nicht klar. ,,Gilt das jetzt auch für die Südhalbkugel?" fragt er ironisch. Noch komplizierter wird es bei Harry Potter, wenn der in der Urfassung unter dem Tisch die Finger kreuzt. ,,Was soll das?" Peter Nissen erläutert, dass diese Geste in englischsprachigen Ländern dem deutschen Daumendrücken entspricht. ,,Muss man erstmal wissen!"

Aus Normannen Wikinger gemacht

So gar nicht zufrieden war er beim Übersetzen der Asterix-Bände. So taufte er die Normannen in „Wikinger“ um, was später bei der Verfilmung sogar von den Franzosen übernommen wurde.

„Das freut einen denn ja auch!" Da die Sprachblase bei Asterix nicht selten Bildungsgut transportiert, nahm der Übersetzer Anleihen bei Hermann Claudius berühmten Gedicht „Rode Grütt“: „All-ns rundüm hett he vergeten. Rode Grütt, dat is en Eten!" Statt Rode Grütt (Rote Grütze) ist natürlich nun Obelix Lieblingsspeise Wildschwein (Wildswin) eingefügt.

Richtig wild ging es aber bei Shakespeare zu. Alles ist beim Meisterdichter gereimt, hat mit jeweils zehn Silben eine feste Ordnung. Das Versmaß nennt sich „fünfsilbiger jambischer Pentameter." ,,Dies hat nicht nur Generationen von Schülern und Studenten, sondern auch mich fast in den Wahnsinn getrieben. Es galt rund 2.100 Zeilen möglichst lebendig und greifbar zu transponieren. „Das war Schwerstarbeit. Wir mussten neue Worte erfinden, um Shakespeare gerecht zu werden!"

Zum Glück hatten die Übersetzer mit dem früheren Schauspielhaus-Intendanten und Regisseur Michael Bogdanov einen Shakespeare-Kenner an Bord. ,,Der half weiter", meint Peter Nissen, der mit seinem Kollegen Hartmut Cyriacks rund 400 Stunden mit der Aufgabe verbracht hat. ,,Geht es hier um Sexualität?", lautete immer mal wieder die Frage. Der Kenner Bogdanov meinte zumeist: ,,Ja!" Daher darf man im Kontext der Historie derbe Scherze wie ,,genial-genital" bringen.

Der „Sommernachtstraum op Platt" wurde zu einem großen Erfolg. Das lag sicher daran, dass Peter Nissen immer wieder neue Einfälle hatte und dabei nicht philologisch oder googlemäßig 1 zu 1 übersetzte, sondern frei und kreativ, orientiert am Theater-Publikum, das alles auch verstehen muss: ,,Wo stickt de Bagaasch? Wo sünd düsse Bangbüxen?" Die Zuschauer bejubelten diese Einfälle.

Platt ist auch im Alltag immer wieder einen Kracher wert: Wem ,,Handklönkasten" oder ,,Sabbelknoken" für Handy einfällt, ,,Tippschnack" für Chatten einsetzt, ,,Achtertrüchbremspedder" für Rücktrittsbremse oder aber „Schinkenbüdel" für Unterhose benutzt, der hat die Lacher immer auf seiner Seite. pre/Artndt Prenzel