Wie sich die Stadtwerke zum grünen Unternehmen wandeln

Wolfgang Schoofs ist Geschäftsführer der Stadtwerke SH und damit verantwortlich für die Standorte Rendsburg, Schleswig und Eckernförde. FOTO: HENRIK MATZEN

Gas und Strom haben das Geschäft vieler Stadtwerke über Jahrzehnte geprägt. Energie wird weiterhin eine große Rolle spielen, sofern sie umweltfreundlich erzeugt ist. Die Stadtwerke SH - das aus den Stadtwerken in Rendsburg, Schleswig und Eckernförde hervorgegangene Versorgungsunternehmen - stecken mittendrin in einem Umstrukturierungsprozess großen Ausmaßes. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer Wolfgang Schoofs.

Herr Schoofs, die Stadtwerke waren mal ein klassischer Strom- und Gasversorger. Wie würden Sie das Unternehmen heute bezeichnen?

Schoofs: Wir sind heute ein Infrastruktur-Dienstleister. Die Anforderungen an uns gehen über Wasser, Strom und Gas weit hinaus. Für uns wird es immer wichtiger, Alternativen zu den klassischen Energieträgern anzubieten.

Die Stadtwerke SH kümmern sich außerdem um die Abwasserentsorgung, um die Unterhaltung kommunaler Straßen, den Aufbau von Glasfasernetzen, um die Pflege der städtischen Grünanlagen. Ist das üblich bei Unternehmen Ihrer Branche?

Diese kommunalen Dienstleistungen erbringen nicht alle Stadtwerke. Ich glaube aber, dass Rendsburg und Schleswig den richtigen Weg gegangen sind, als sie Aufgaben des Allgemeinwohls in eine Hand gelegt haben.

Wie wichtig sind die klassischen Geschäftsfelder Strom und Gas für die Stadtwerke SH?

Die Strom- und Gasversorgung ist weiterhin der größte Umsatzbringer Standorten in Rendsburg, Schleswig und Eckernförde. Vor zehn Jahren waren es bis zu 80 Prozent. Aus heutiger Sicht entfallen darauf noch 60 Prozent unserer Einnahmen.

Sind das die ersten Anzeichen für ein Klimabewusstsein in der Bevölkerung?

Das ist so. Ich würde dies als Ergebnis der ersten Phase bezeichnen, in der eine klare politisch-ökologische Ausrichtung entstanden ist und wir in der Bevölkerung ein wachsendes Klimabewusstsein feststellen. Auch die Industrie hat darauf längst reagiert. Heutige Elektrogeräte wie beispielsweise Waschmaschinen sind viel energieeffizienter geworden. Die Öko-Labels haben dazu geführt, dass der Stromverbrauch in Masse zurückgegangen ist. In der Gasversorgung spüren wir, dass viele Kunden auf Brennwertgeräte gesetzt haben, die viel weniger Gas verbrauchen.

Bau des Eisspeichers in Rendsburg zwischen Kreisverwaltung und Uhrenblock: Der Speicher der Stadtwerke hat ein Volumen von 513 Kubikmetern. In der warmen Jahreszeit wird ein mit 560 Kubikmeter Wasser gefüllter Behälter erwärmt. Im Winter soll die darin gespeicherte Wärme die Kreisverwaltung und den Uhrenblock beheizen. FOTO: 3KOMMA 3 MEDIENPRODUKTION

Aber das sind alles noch Technologien und Techniken, die auf konventionelle Energieträger setzen. Was ist mit regenerativen Energien?

Das ist jetzt die zweite Phase. Es ist politisch gewollt, dass wir aus fossilen Energieträgern aussteigen. Von daher wird dieser Paradigmenwechsel bei uns noch schmerzhaft ankommen. Das heißt mit Blick auf die klassische Wärmeversorgung: Der Gasbedarf zum Heizen von Gebäuden wird massiv zurückgehen. Wir werden also extrem viel Umsatz und Gewinne beim Gas verlieren. Aber diese Gewinne sind wichtig für uns, weil wir damit kommunale Infrastruktur finanzieren, wie beispielsweise die Bäder in Rendsburg, Schleswig und Eckernförde. Die machen insgesamt rund vier Millionen Euro Verlust.

Die Alternative zum Gas sind regenerative Energien. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Schon heute ist die Konsequenz, dass wir in Neubaugebieten keine Gasversorgung mehr aufbauen. Die Gas-Heizung wird ersetzt durch Wärme aus Luft-Wärme-Pumpen oder durch Erdwärme-Pumpen, möglicherweise auch Solarthermie. In diesen Umwandlungsprozess bringen wir uns schon heute stark ein. Wir sind auf dem besten Wege, uns zu einem grünen Unternehmen zu entwickeln.

Windkraftanlagen bei Süderfahrenstedt (Kreis Schleswig-Flensburg). Die vordere Anlage wird von den Stadtwerken betrieben. FOTO: HENRIK MATZEN

Wie sieht das im täglichen Geschäft aus?

Wir als Stadtwerke SH sind seit Jahrzehnten auf dem Gebiet klimaschonender beziehungsweise regenerativer Energien tätig. Das begann vor etwa 35 Jahren mit einer kleinen Windkraftanlage und setzte sich fort mit dem Bau eines größeren Blockheizkraftwerks. Seinerzeit hatten wir in der Unternehmensgruppe das Bewusstsein, dass wir in erneuerbare Energien investieren müssen, um unsere Eigenerzeugung auf Dauer abzusichern. Heute haben wir etwa in der Schleiregion ein großes Windrad, einen Photovoltaikpark sowie überregional Anteile an PV-Parks. Wir erzeugen allein mit Solarkraft ungefähr fünf bis sechs Megawatt. Das sind zehn Prozent unseres Gesamtbedarfs. Diesen Anteil wollen wir deutlich erhöhen. Im Wärmebereich bauen wir auf die kalte Nahwärme, so wie im künftigen Wohnquartier Eiderkaserne.

Kalte Nahwärme werden Sie auch in Eckernförde und Schleswig anbieten. Zählen Sie damit zu den Vorreitern?

Auf jeden Fall zählen wir zu denjenigen, die bereits umfangreiches Know-How auf diesem Gebiet angereichert haben. Wir machen jetzt im großen Stil Quartiersentwicklung in kleineren Gemeinden. Dieses Know-How verkaufen wir jetzt als Ingenieurleistung. Es ist auch Teil dieses Paradigmenwechsels, dass wir unser Wissen vermarkten. Unser Mitarbeiterstab in der SH-Gruppe hat das Bewusstsein des unternehmerischen Wandels angenommen, jetzt müssen wir nachhaltig die Politik davon überzeugen.

Lässt sich heute mit regenerativen Energien Geld verdienen?

Ja. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir nur dort investieren, wo wir eine Rendite erwirtschaften. Der Betrieb von Solarparks und Windkraftanlagen führt zu sehr guten Ergebnissen. Auch bei den Wärmeprojekten läuft die Kalkulation darauf hinaus, dass wir Gewinne machen, allerdings nicht so viel wie in der Gasversorgung.

Was haben die Kunden davon, dass die Stadtwerke ihre Produktpalette so gravierend ändern? Denn eigentlich galten Strom und Wärme aus regenerativen Quellen immer als teuer.

Auf jeden Fall werden sie mit diesen Angeboten einen viel geringeren CO₂-Fußabdruck hinterlassen als mit fossilen Energieträgern und erfüllen damit alle künftig geltenden Regeln. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges ist die Versorgungssicherheit immer mehr in den Fokus gerückt. Immer mehr Verbraucher wollen autark sein. Dies wissen wir aus Gesprächen mit dem Installateurhandwerk. Eine kalte Nahwärme funktioniert weitestgehend ohne fossile Brennstoffe. Und was für die Kunden natürlich auch wichtig ist: Wir haben hier keine gravierenden Marktpreisschwankungen, wie wir sie beim Gas in den vergangenen Monaten erlebten. Der Einfluss des Weltmarktes auf die Preise für kalte Nahwärme geht gegen Null. Und was das Preisgefüge anbelangt: Strom und Wärme aus regenerativen Quellen werden im Wettbewerb immer attraktiver als aus fossilen Quellen.

Ist das bereits ins Bewusstsein von Bauwilligen vorgedrungen?

Das sehen wir auf jeden Fall, nicht nur bei privaten Bauherren sondern auch bei Bauträgern und Wohnungsunternehmen. Bis 2030 müssen auch Vermieter den CO₂-Ausstoss ihrer Altgebäude stark verringern, und zwar um 80 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes. Das Problem ist aktuell, dass man klimaorientierte Technik nur schwer bekommt. Die Lieferzeiten für Wärmepumpen und Solaranlagen sind lang. Interview: Dirk Jennert